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-> Versicherungsrecht
-> Regress des Kfz-Haftpflichtversicherers
-> gegenüber VN / VP wegen Obliegenheitsverletzungen
-> Obliegenheitsverletzungen
-> nach dem Versicherungsfall, § 6 KfzPflVV
-> Arglist
Arglistig handelt der Versicherungsnehmer, wenn er eine Obliegenheitsverletzung bewusst begeht und dabei billigend in Kauf nimmt, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 |
Rn. 9-2731 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17) ein-/ausblenden "Der Vorwurf der Arglist setzt keine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers voraus. Vielmehr genügt bereits das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche zu beseitigen. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer schon dann, wenn er die Obliegenheitsverletzung bewusst begeht und dabei billigend in Kauf nimmt, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2011 - IV ZR 174/09, VersR 2011, 1121, Rn. 29)." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 (externer Link) | Rn. 9-2732 |
Beweispflichtig für das Vorliegen von Arglist ist der Versicherer. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 |
Rn. 9-2733 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17) ein-/ausblenden | Rn. 9-2734 |
Eine Substantiierungslast trifft indes den Versicherungsnehmer. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 |
Rn. 9-2735 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17) ein-/ausblenden "Vorliegend kommt hinzu, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin verstorben ist und auch die Klägerin keine Erkenntnisse zu dem subjektiven Vorstellungsbild ihres Rechtsvorgängers im Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung haben kann. Die Klägerseite kann daher ihrer den Versicherungsnehmer allgemein treffenden Substantiierungslast (vgl. dazu Prölss/Martin-Armbrüster, a.a.O., § 28 Rn. 193) von Vornherein nicht nachkommen." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 (externer Link) | Rn. 9-2736 |
Entscheidend für Prüfugn der Arglist ist der Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung, z. B. bei einer Nichteinhaltung der Wartepflicht gemäß § 142 Abs. 1 StGB der Zeitpunkt des Verlassens des Unfallortes oder bei einem berechtigten Verlassen der Zeitpunkt, in dem die Meldung noch hätte nachgeholt werden können. vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012 - IV ZR 97/11 |
Rn. 9-2737 | Zitat (BGH, Urteil vom 21.11.2012 - IV ZR 97/11) ein-/ausblenden "Insbesondere hat das Berufungsgericht infolge dieser pauschalen Bejahung von Arglist nicht bedacht, dass es für die Beurteilung des Handelns des Versicherungsnehmers allein auf den Zeitpunkt ankommt, in dem dieser die Obliegenheit verletzt, hier also die Zeit, zu der der Kläger seiner Pflicht aus § 142 Abs. 2 StGB noch hätte nachkommen können. Das Berufungsgericht wird deshalb die Frage der Arglist unter Beachtung dieses Maßstabs gegebenenfalls neu zu prüfen haben." vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012 - IV ZR 97/11 (externer Link) | Rn. 9-2738 |
Das Landgericht Düsseldorf erkannte ein arglistiges Verhalten darin, den Unfallort wider § 142 Abs. 1 StGB verlassen zu haben. Darin sei stets Arglist zu sehen. vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 03.12.2010, Az. 22 S 179/10 |
Rn. 9-2739 | Zitat (LG Düsseldorf, Urteil vom 03.12.2010, Az. 22 S 179/10) ein-/ausblenden "Eine – hier vorliegende – vorsätzlichen Unfallflucht ist nach Ansicht der Kammer stets arglistig. Die Kammer schließt sich diesbezüglich der 20. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf, Urteil vom 18.06.2010, 20 S 7/10, zitiert nach JURIS, an und nimmt auf die dortigen Ausführungen Bezug." vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 03.12.2010, Az. 22 S 179/10 (externer Link) | Rn. 9-2740 |
Zumindest solange eine Alkoholisierung bzw. Drogeneinnahme im Raum stehen kann, könnte Arglist naheliegen; das dürfte insbesondere offen auf der Hand liegen, wenn noch in den Mittagsstunden des Folgetages leichter Atemalkohol zu vernehmen ist. vgl. OLG Dresden, Urteil vom 17.04.2018, Az. 6 U 1480/17 |
Rn. 9-2741 | Zitat (OLG Dresden, Urteil vom 17.04.2018, Az. 6 U 1480/17) ein-/ausblenden "Es kommt mithin für die Entscheidung nicht darauf an, ob ein etwaiger Nachweis fehlender Kausalität der Obliegenheitspflichtverletzung für die Feststellung des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht wegen Arglist des Klägers ausgeschlossen wäre. Allerdings würde das Gesamtbild des Geschehensablaufs ein arglistiges Verhalten des Klägers, also eine Handlungsweise, mit der der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck in dem Wissen verfolgt, dass sein Verhalten die Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2012, IV ZR 97/11, Rdn. 29), durchaus nahelegen. Es liegt auf der Hand, dass durch die verspätete Mitteilung insbesondere Feststellungen zu einer etwaigen Alkoholisierung des Klägers jedenfalls deutlich erschwert, wenn nicht sogar vereitelt wurden. Für ein arglistiges Verhalten spricht insoweit, dass Polizeibeamte ausweislich des Ermittlungsberichts (Bl. 22 der beigezogenen Akte des Strafverfahrens, Aktenzeichen 750 Js 48513/15) beim Kläger noch in den Mittagsstunden des Unfalltages leichten Alkoholgeruch festgestellt haben und der Kläger daraufhin einen Alkoholtest abgelehnt hat." vgl. OLG Dresden, Urteil vom 17.04.2018, Az. 6 U 1480/17 (externer Link) | Rn. 9-2742 |
Das OLG Frankfurt sah in dem unerlaubten Verlassen des Unfallortes allein keinen besonders schweren Obliegenheitsverstoß, sondern nur dann, wenn weitere Faktoren hinzuträten. Mit dieser Ansicht erscheint es fraglich, dann aber in dem Verlassen des Unfallortes wider § 142 Abs. 1 StGB arglistiges Verhalten zu sehen. vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.12.2017 - 10 U 218/16 |
Rn. 9-2743 | Zitat (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27.12.2017 - 10 U 218/16) ein-/ausblenden | Rn. 9-2744 |
Das OLG Hamm erklärt ausdrücklich, nicht grundsätzlich von Arglist auszugehen, wenn sich ein versicherter Fahrer unerlaubt von der Unfallstelle entfernt. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 |
Rn. 9-2745 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17) ein-/ausblenden "Der Senat teilt die Einschätzung, dass nicht jedes unerlaubte Entfernen vom Unfallort pauschal auch als arglistig im Sinne der versicherungsrechtlichen Regelungen zur Obliegenheitsverletzung angesehen werden kann, sondern dass stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind (BGH, Urteil vom 21.11.2012 - IV ZR 97/11, r+s 2013, 61, Rn. 28 ff.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2016 - 5 U 75/14, VersR 2016, 1368; LG Karlsruhe, Urteil vom 13.04.2017 - 20 S 101/16, r+s 2017, 523; weitergehend LG Trier, Beschluss vom 14.03.2017 - 1 S 4/17, juris ("in der Regel", noch weitergehend LG Düsseldorf, Urteil vom 03.12.2010 - 22 S 179/10, juris, Rn. 9 ("stets"))." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 (externer Link) | Rn. 9-2746 |
Das OLG Hamm meint weiter, dass sogar eine unfallbedingte Überforderungssituation dagegensprechen könne, dass der Versicherte überhaupt subjektiv den Versicherer in sein Vorstellungsbild aufgenommen habe. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 |
Rn. 9-2747 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17) ein-/ausblenden "Zudem entspricht es der Lebenserfahrung, dass die schuldhafte Verursachung eines Unfalls häufig eine besondere Überforderung auslöst. Deshalb liegt der Schluss, der Versicherungsnehmer habe bei seinem Entfernen vom Unfallort auch in sein Vorstellungsbild aufgenommen, hierdurch möglicherweise seinen Versicherer zu schädigen, nicht stets nahe." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 (externer Link) | Rn. 9-2748 |
Gegen arglistiges Verhalten soll sogar sprechen, wenn der Versicherte behauptet, bemerkt zu haben, gesehen worden zu sein, so dass er mit baldiger Kontaktaufnahme durch die Polizei gerechnet habe. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 |
Rn. 9-2749 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17) ein-/ausblenden "Gegen ein arglistiges Verhalten des Rechtsvorgängers der Klägerin spricht vorliegend, dass er ausweislich der Ermittlungsakte gegenüber der Polizei angegeben hat, bemerkt zu haben, dass das Unfallgeschehen durch die Nachbarin beobachtet worden war, und dass er zudem in unmittelbarer Nähe zu dem Unfallort wohnte. Angesichts dessen deutet alles darauf hin, dass für ihn klar war, dass durch baldige Meldung seinerseits - oder möglicherweise - Eintreffen der Polizei bei ihm alle Feststellungen getroffen würden." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17 (externer Link) | Rn. 9-2750 |
Das LG Düsseldorf sieht es indes so, dass auch ein späterer Kontakt zur Polizei keinen Schluss darauf zulässt, was bis zu 4 Stunden zuvor veranlasst worden wäre, hätte dieser frühere Kontant bstanden. vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 13.07.2017 - 9 S 37/16 |
Rn. 9-2751 | Zitat (LG Düsseldorf, Urteil vom 13.07.2017 - 9 S 37/16) ein-/ausblenden "Der Umstand, dass Polizeibeamte den Beklagten zeitnah zwischen 19 und 20:00 Uhr desselben Tages aufsuchten, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn durch theoretische Erwägungen zum Alkoholabbau ist nicht bewiesen, dass eine Alkoholisierung im Unfallzeitpunkt nicht vorlag. Dass die Polizeibeamten beim Aufsuchen des Beklagten in einem nicht genau bestimmbaren Abstand von zweieinhalb bis vier Stunden nach der Kollision keinen Anlass sahen, eine Alkoholisierung des Beklagten untersuchen zu lassen, besagt weder etwas dazu, ob sie zeitnäher zum Kollisionszeitpunkt einen solchen Anlass möglicherweise erblickt hätten, noch, dass eine Alkoholisierung in jenem Zeitpunkt nicht bestand. Einen dahingehenden Beweis hat der Beklagte nicht angetreten." vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 13.07.2017 - 9 S 37/16 (externer Link) | Rn. 9-2752 |
Die Ausführungen des OLG Hamm (Beschluss vom 28.02.2018 - 20 U 188/17) zur Arglist werden diesseits nicht geteilt. Wenn ein Fahrer den Unfallort verlässt, sich nach § 142 Abs. 1 StGB strafbar macht und auch nicht die unverzügliche Meldung nach § 142 Abs. 2 StGB nachholt, dann wollte er nicht für den Unfall geradestehen, sei es, weil er Obliegenheiten (Alkoholgenuss, Drogeneinnahme) verletzt hat oder weil er nicht will, dass sein Versicherer zahlt, - ggfls. - weil dann auch der Schadensfreiheitsrabatt verloren geht und die Versicherungsprämien steigen. Lebensnah scheint es keinen Grund zu geben, den Unfallort zu verlassen, den Unfallort zu verlassen, außer, dass der Versicherer eine vorausgehende Obliegenheitsverletzung (Alkohol, Drogen) nicht erfahren soll oder dass er von einer Feststellung des Versicherungsfalles vollständig abgehalten werden soll. |
Rn. 9-2753 |
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