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-> Allgemeine Haftpflicht vs. Kraftfahrthaftpflicht
Der Gebrauch des Fahrzeuges, welcher über die Kraftfahrversicherung begründet ist, schließt den Betrieb des Fahrzeuges, also eine Haftung nach StVG, in jedem Fall ein, geht aber auch darüber hinaus. vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 |
Rn. 9-2536 | Zitat (OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21) ein-/ausblenden | Rn. 9-2537 |
Der Betrieb des Fahrzeuges knüpft daran an, ob sich der Schaden noch der Funktion des Fahrzeuges als Transport- oder Fortbewegungsmittel zuordnen lässt. vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 |
Rn. 9-2538 | Zitat (OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21) ein-/ausblenden "Bei der Frage, ob der Entladevorgang noch dem Betrieb des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 7 StVG zuzurechnen ist, geht es darum, ob nach dem von dieser Norm umfassten Schutzbereich, der wesentlich auf die Gefahren des Kraftfahrzeuges beim Verkehr abstellt, noch ein rechtlich relevanter Zusammenhang mit der Funktion des Kraftfahrzeuges als Beförderungsmittel besteht." vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 (externer Link) | Rn. 9-2539 |
Versicherungsrechtlich ist hingegen der Gebrauch maßgeblich. Es handelt sich dabei um alle Fälle, in denen der Benutzer ein Interesse daran hat, durch den Gebrauch des Fahrzeuges nicht persönlich für verursachte Schäden einstehen zu müssen. vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 |
Rn. 9-2540 | Zitat (OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21) ein-/ausblenden "Demgegenüber muss sich die Abgrenzung des versicherungsmäßig abgedeckten Wagnisses in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nach anderen Gesichtspunkten orientieren. Bei ihr ist das Interesse versichert, das der Versicherte daran hat, durch den Gebrauch des Fahrzeuges nicht mit Haftpflichtansprüchen belastet zu werden gleich, ob diese auf den §§ 7 ff StVG, den §§ 823 ff BGB oder anderen Haftungsnormen beruhen. Es kommt mithin darauf an, ob der Schadensfall zu dem Haftpflichtgefahrenbereich gehört, für den die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung deckungspflichtig ist. „Gebraucht“ wird ein Kraftfahrzeug auch dann, wenn es nur als Arbeitsmaschine eingesetzt wird. Auch der Entladevorgang, soweit er nicht mehr dem „Betrieb“ des Kraftfahrzeugs zuzurechnen ist, gehört danach zu seinem Gebrauch (vgl. jetzt auch A.1.1.1 Satz 2 AKB), solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen dabei beteiligt sind. Der Schaden, der beim Hantieren mit Ladegut eintritt, ist dann „durch den Gebrauch“ des Kraftfahrzeugs entstanden, das heißt diesem Gebrauch noch zuzurechnen, wenn es für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt gewesen ist (BGH, Urteil vom 26. Juni 1979, aaO Rn. 34 mwN)." vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 (externer Link) | Rn. 9-2541 |
Auch dann, wenn eine Haftung nach StVG entfällt, kann die Kraftfahrhaftpflichtversicherung für einen Schaden durch ein Fahrzeug verantwortlich sein, wenn sich nämlich dessen Gebrauch in dem Schadenereignis manifestiert. vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 |
Rn. 9-2542 | Zitat (OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21) ein-/ausblenden "Dem steht nicht entgegen, dass eine Haftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG entfällt, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird, oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2021 – VI ZR 726/20, NJW 2022, 624 Rn. 6 f mwN)." vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 (externer Link) | Rn. 9-2543 |
Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Schaden durch Installationen am Fahrzeug verursacht wurde, z.B. Abladevorrichtungen, Maehwerke usw. vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 |
Rn. 9-2544 | Zitat (OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21) ein-/ausblenden "a) Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Schaden, der durch die Betätigung der Beladungseinrichtung und Entladungseinrichtung eines Sonderfahrzeuges verursacht worden ist, dem „Gebrauch des Fahrzeuges“ im Sinne von § 10 AKB aF zuzurechnen ist (BGH, Urteil vom 26. Juni 1979 – VI ZR 122/78, BGHZ 75, 45, juris Rn. 32 f)." vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 (externer Link) | Rn. 9-2545 |
Deshalb kann ein Schaden, der in einem Keller verursacht wird, noch dem (versicherungsrechtlich relevanten) Gebrauch des Fahrzeuges zugerechnet werden, selbst dann, wenn es an einem Betrieb des Fahrzeuges im Sinne der Gefärdungshaftung fehlt. vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 |
Rn. 9-2546 | Zitat (OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21) ein-/ausblenden "Nach diesen Grundsätzen ist das Entladen eines Tanklastzuges mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe, gleich ob sie von dem Motor des Kraftfahrzeugs angetrieben wird, dem Gebrauch des Fahrzeuges zuzurechnen, solange der Druck der Pumpe noch auf das abzufüllende Öl einwirkt und die Flüssigkeit durch den Schlauch heraustreibt. Dabei wird der Tanklastzug mit seinen speziellen Vorrichtungen unmittelbar eingesetzt und es verwirklicht sich eine Gefahr, die von dem Fahrzeug selbst ausgeht. Das aber ist ein Risiko, vor dem der Versicherte Schutz durch die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung erwartet und das diese, nicht etwa die Betriebshaftpflichtversicherung abzudecken hat (BGH, Urteil vom 26. Juni 1979, aaO Rn. 35 mwN)." vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 (externer Link) | Rn. 9-2547 |
Ebenso kann das Entladen eines Silofahrzeuges dem Gebrauch des Fahrzeuges zugerechnet werden, wenn mittels der Pumpe des Fahrzeuges Kalk in ein falsches Silo gepumpt wird. Auch dieses Risiko ist dann dem Kfz-Versicherungsvertrag zuzuordnen. vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 |
Rn. 9-2548 | Zitat (OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21) ein-/ausblenden "Für die schadensstiftende Verrichtung ist das Silofahrzeug aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt gewesen. Das Entladen des Silofahrzeugs mittels fahrzeugspezifischer Einrichtungen, namentlich einer Pumpe (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 31. März 2021, Bl. 27/29 d. A., S. 2; Berufungsbegründung, S. 5; vgl. auch Wikipedia zu „Silofahrzeug“: „Entleerung durch Auslauftrichter zumeist mit Unterstützung durch Druckluft“), ist dem Gebrauch des Fahrzeuges zuzurechnen, solange die fahrzeugspezifischen Einrichtungen noch auf das abzuladende Gut einwirken und dieses durch den Auslauftrichter heraustreiben. Dabei wird das Silofahrzeug mit seinen speziellen Vorrichtungen unmittelbar eingesetzt und es verwirklicht sich (entgegen LG Koblenz, DAR 2009, 468) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Gefahr, die von dem Fahrzeug selbst ausgeht." vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 (externer Link) | Rn. 9-2549 |
Wird der Kausalverlauf durch Zwischenschritte unterbrochen, indem der Kunde des unmittelbar Geschädigten (z. B. Tankwart) durch Bezug, Nutzung oder Gebrauch eines entladenen Stoffs (hier: Diesel-Benzin-Gemisch durch Falschentladung eines Kraftstofftankfahrers) geschädigt wird, liegt jedenfalls keine Haftung aus der Gefahr des Gebrauchs mehr vor. Denn der eigentliche Schaden entsteht dann erst durch den Weiterverkauf durch den Erstgeschädigten. vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 |
Rn. 9-2550 | Zitat (OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21) ein-/ausblenden "Der erkennende Senat des Oberlandesgerichts München hat in einem vergleichbaren Fall eine Eintrittsverpflichtung des Kraftfahrthaftpflichtversicherers abgelehnt, weil der verursachte Schaden nicht dem Gebrauch des Tanklastzuges zuzurechnen sei. Dabei hat er aber dahinstehen lassen, ob der Entladevorgang als solcher dem Gebrauch des Kraftfahrzeuges zuzurechnen sei. Maßgebend sei, dass die jeweiligen konkreten Schäden den Tankstellenkunden erst dadurch entstanden seien, dass der vermischte Kraftstoff vom Tankstellenpächter für die Tankstellenverpächterin an die Kunden verkauft und in die Tanks der Fahrzeuge der Kunden gefüllt wurde. Dieser Befüllungsvorgang der Kundenfahrzeuge sei dem Gebrauch des Tanklastzuges jedenfalls nicht mehr zuzurechnen (OLG München, Urteil vom 24. April 2015 – 25 U 4874/14, r+s 2016, 298 Rn. 25 f mit Anm. Schimikowski; NZB zurückgewiesen durch BGH, Beschluss vom 17. Februar 2016 – IV ZR 564/15, nv)." vgl. OLG München, Endurteil v. 23.02.2023 – 25 U 3191/21 (externer Link) | Rn. 9-2551 |
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