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Tiere gelten nach § 90a BGB zwar grundsätzlich als Sachen, sind es aber faktisch nicht. Auch nach Art. 20a GG stehen sie unter besonderem Schutz der Verfassung. Das rechtfertigt es, deren Heilbehandlungskosten auch bzgl. § 251 BGB nicht nach den Grenzen für Sachschäden zu bewerten. |
Rn. 9-2441 | Zitat (BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15) ein-/ausblenden "Im Fall der Verletzung eines Tieres bestimmt § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB angesichts der herausgehobenen Anerkennung des Tierschutzes durch die Rechtsordnung (Art. 20a GG, § 1 TierSchG), dass die aus der Heilbehandlung des Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. Ausgehend von der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen verbietet diese Vorschrift bei der Schadensbemessung eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise (BT-Drucks. 11/5463 S. 5). Das bedeutet zwar nicht, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz in unbegrenzter Höhe besteht (vgl. BT-Drucks. 11/5463 S. 7 und 11/7369 S. 7; OLG Schleswig, MDR 2014, 1391; MünchKommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 251 Rn. 58). Unter der Voraussetzung, dass eine Heilbehandlung tatsächlich durchgeführt wurde (vgl. BT-Drucks. 11/5463 S. 6 und 11/7369 S. 7), verlangt § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB aber, dass dem Interesse des Schädigers, nicht mit den Behandlungskosten belastet zu werden, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur der Wert des Tieres gegenüber gestellt wird, sondern auch das aus der Verantwortung für das Tier folgende immaterielle Interesse an der Wiederherstellung seiner Gesundheit und seiner körperlichen Integrität (vgl. Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 251 Rn. 27; Erman/Ebert, BGB, 14. Aufl., § 251 Rn. 25 f.; Lorz, MDR 1990, 1057, 1059). So können bei Tieren mit einem geringen materiellen Wert Behandlungskosten auch dann ersatzfähig sein, wenn sie ein Vielfaches dieses Wertes ausmachen (vgl. BT-Drucks. 11/5463 S. 5; vgl. OLG München, VersR 2011, 1412; MünchKommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 251 Rn. 62; vgl. auch LG Bielefeld, NJW 1997, 3320, 3321 für Tiere ohne Marktwert). Immer bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des konkreten Einzelfalls (vgl. Senatsurteile vom 3. Dezember 1974 - VI ZR 1/74, BGHZ 63, 295, 299 ff. und vom 19. Oktober 1993 - VI ZR 20/93, VersR 1994, 64, 65 f.; BGH, Urteile vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 367 und vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 41, 45). Nach Auffassung des Gesetzgebers kommt es für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze auf das Maß des Verschuldens des Schädigers, das individuelle Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem verletzten Tier sowie darauf an, ob die aufgewendeten Heilbehandlungskosten aus tiermedizinischer Sicht vertretbar gewesen sind (vgl. BT-Drucks. 11/5463 S. 7). Diese Aufzählung schließt weitere dem Normziel dienende Kriterien im Einzelfall nicht aus." vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15 (externer Link) | Rn. 9-2442 |
Bei den Heilbehandlungskosten für Tiere gelten nicht die Maßstäbe, die bei Beschädigungen von Sachen gelten. vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 03.02.2022 - 27 C 40/21 |
Rn. 9-2443 | Zitat () ein-/ausblenden "Die Kosten sind auch nicht unverhältnismäßig, denn bei Tieren sind anders als bei Sachen gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie deren Wert erheblich übersteigen. Anders als bei Sachen ist insbesondere nicht die Verhältnismäßigkeitsschwelle von 130 % anzusetzen, sondern eine - deutlich - höhere. Die Verhältnismäßigkeitsschwelle liegt bei einem Vielfachen des Marktwertes. Hierbei ist auch das Affektionsinteresse der Klägerin zu berücksichtigen (OLG München, Urteil vom 11.04.2011, Az. 21 U 5534/10). Der Hund, der zum Vorfallzeitpunkt 8 Jahre alt war und zu einem Kaufpreis von 1.200,00 EUR erworben worden war, hat noch eine hinreichende Lebenserwartung vor sich und war nicht vorerkrankt, weswegen die Kosten nicht zu beanstanden sind." vgl. (externer Link) | Rn. 9-2444 |
Entgegen § 251 Abs. 2 S. 1 BGB kann bei der Verletzung eines Tieres nach § 251 Abs. 2 S. 2 BGB nicht nur der Wert des tieres verlangt werden, sondern der noch verhältnismäßige Betrag. vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15 |
Rn. 9-2445 | Zitat (BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15) ein-/ausblenden "c) Der Kläger kann - wie das Berufungsgericht angenommen hat - vom Beklagten gemäß § 249 Abs. 2, § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB die als verhältnismäßig erachteten Heilbehandlungskosten seines Hundes verlangen (3.000 €). Insoweit hat der Gesetzgeber mit § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Ausnahmeregelung im Sinne von § 90a Satz 3 BGB geschaffen, mit der die Ersetzungsbefugnis des Schuldners nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB eingeschränkt wird (Erman/ Ebert, BGB, 14. Aufl., § 251 Rn. 2, 25 f.; vgl. auch Bocianiak, VersR 2011, 981, 982; so im Ergebnis - ohne Begründung - OLG München, VersR 2011, 1412)" vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15 (externer Link) | Rn. 9-2446 |
Es gibt verschiedene Kriterien bei der Bemessung, welche Behandlungskosten nach § 251 BGB erstattungsfähig sind. Hier sind die Erfolgsaussichten der Behandlung, der vor der Schädigung bestehende Gesundheitszustand, wie lange das Tier bereits im Besitz war, was der Tierhalter ohne Fremdschädigung - also bei eigener Kostentragungspflicht - aufgewendet hätte. vgl. OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023, Az.: 20 U 36/20 |
Rn. 9-2447 | Zitat (OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023, Az.: 20 U 36/20) ein-/ausblenden "So kommen als weitere Kriterien die Erfolgsaussichten der Behandlung, das Alter des Tiers (BGH, a.a.O., Rn. 15) und der vor der Pflichtverletzung vorliegende Gesundheitszustand des Tiers (AG Frankfurt, Urteil vom 14. Juni 2000 - 29 C 2234/99 - 69; OLG München, Urteil vom 11. April 2011 - 21 U 5534/10, jeweils bei juris) in Betracht. Im Zusammenhang mit dem immateriellen Interesses des Halters des verletzten Tiers spielt auch eine Rolle, wie lange das Tier bereits in der Familie lebt (AG Schöneberg, Urteil vom 30. Juni 1987 - 12 C 243/87, juris). Teilweise wird auch berücksichtigt, was der Eigentümer im Sinne eines verständigen Tierhalters in der konkreten Lage ohne die Fremdschädigung für sein Tier aufgewendet hätte (siehe Staudinger/Höpfner, BGB (2021), § 251 Rn. 28; AG Idar-Oberstein, Urteil vom 20. April 1999 - 3 C 618/98, juris), obwohl der Gesetzgeber ausdrücklich davon abgesehen hat, eine allgemeine Haftungsgrenze, etwa wie sie das österreichische Recht in § 1332a ABGB (der auf die Kosten abstellt, die auch ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten aufgewendet hätte) vorsieht, aufzunehmen (BT-Drs. 11/7369 S. 7)." vgl. OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023, Az.: 20 U 36/20 (externer Link) | Rn. 9-2448 | Zitat (LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14) ein-/ausblenden "Vielmehr sind weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dazu zählt der Gesundheitszustand des Tieres vor der Verletzung. Zwingend zu berücksichtigen ist schon nach dem Zweck der Norm, dem Tierschutz (BGBl. I 1990, 1762), das immaterielle Interesse des Hundehalters, weil der Wert des Tieres zur Bestimmung verhältnismäßiger Aufwendungen allein gerade nicht ausreicht. Das immaterielle Interesse des Hundehalters überwiegt bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB dem Kriterium des Wertes des Tieres. Es ist also der besonderen Qualität der Beziehung zwischen Mensch (Familie) und Haustier Rechnung zu tragen. Hierbei spielt auch eine Rolle, wie lange der Hund bereits in der Familie lebt. Ebenfalls ist von Belang, was der Eigentümer im Sinne eines verständigen Tierhalters in der konkreten Lage ohne die Fremdschädigung für sein Tier aufgewendet hätte. Als weiterer Gesichtspunkt spielt die Erfolgsaussicht der tierärztlichen Behandlung eine Rolle." vgl. LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14 (externer Link) | Rn. 9-2449 |
Selbst sehr hohe Behandlungskosten können noch erstattungsfähig sein, auch wenn sie ansonsten das zu erstattende Maß übersteigen würden; das kann dann der Fall sein, wenn sich diese Behandlungskosten erst während der Behandlung (unerwartet) erhöhen. vgl. LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14 |
Rn. 9-2450 | Zitat (LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14) ein-/ausblenden "Je unwahrscheinlicher der Erfolg ist, umso eher wird die Behandlung unvernünftig und unverhältnismäßig sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verhältnismäßigkeit eher angenommen werden kann, wenn erhebliche Kosten erst im Laufe einer längeren Behandlung anfallen, also - quasi unerwartet - nach und nach entstehen (OLG Schleswig, Beschluss vom 19.08.2014, Az.: 3 W 19/14, zitiert nach juris; LG Bielefeld, NJW 1997, 3320; Staudinger-Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 251 Rn. 28). Entsprechend dem allgemeinen Standard für Wiederherstellungskosten nach § 249 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt es auf die Sicht eines vernünftigen Tierhalters an, der wegen des vordergründigen immateriellen Interesses großzügige Anwendung finden muss (Staudiger-Schiemann, aaO.). " vgl. LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14 (externer Link) | Rn. 9-2451 |
Bezüglich des Verhaltens des Tierarztes, ein Einschläfern des Tieres zu verweigern, deutet der BGH Bedenken an, dieses Verhalten dem Schädiger anzulasten. vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15 |
Rn. 9-2452 | Zitat (BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15) ein-/ausblenden "Zwar hat das Berufungsgericht ausgeführt, wenn ein Tierarzt nicht bereit sei, ein verletztes Tier einzuschläfern, verwirkliche sich ein Risiko in der Sphäre des Tierhalters. Auf dieser - rechtlich bedenklichen - Erwägung beruht das angefochtene Urteil aber nicht." vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15 (externer Link) | Rn. 9-2453 |
Nicht in die Abwägung sollen die Vermögensverhältnisse des Tierhalters selbst oder das Bestehen einer Haftpflichtversicherung des Schädigers einfließen. Das ist konsequent, weil schon über das Kriterium, was der Tierhalter ohne einen erstattungspflichtigen Schädiger für das Tier ausgegeben hätte, eine Einschränkung darstellt. vgl. OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023, Az.: 20 U 36/20 |
Rn. 9-2454 | Zitat (OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023, Az.: 20 U 36/20) ein-/ausblenden "Keine Berücksichtigung sollen demgegenüber die Vermögensverhältnisse des Tierhalters finden (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl., § 251 Rn. 65; BeckOGK/Brand, BGB, Stand: 1.3.2022, § 251 Rn. 63) und ob der Schädiger haftpflichtversichert ist (Oetker a.a.O.; Brand a.a.O.). Ob das Maß des Verschuldens des Schädigers zu berücksichtigen ist, ist streitig (dagegen: Oetker a.a.O.; Brand, a.a.O.; dafür: BT-Drs. 11/5463, S. 7; BGH, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 2. November 2016 - I-21 U 14/16, juris Rn. 14; LG Traunstein, Urteil vom 10. August 1983 - 5 S 1658/83, juris; AG Idar-Oberstein a. a. O.)." vgl. OLG Celle, Urteil vom 15.02.2023, Az.: 20 U 36/20 (externer Link) | Rn. 9-2455 |
Der Wert des Tieres spielt ebenfalls keine primäre Rolle. Denn anderenfalls wäre außerhalb der Rassetiere bei Haustieren schnell eine Wertigkeitsgrenze erreicht, die angesichts der Bedeutung des Haustieres für einen Menschen einerseits und Art. 20a GG andererseits doch schnell zu einer Unverhältnismäßigkeit der Behandlungskosten führen würde. vgl. AG Brandenburg, Urteil vom 19.08.2019 - 31 C 227/18 |
Rn. 9-2456 | Zitat (AG Brandenburg, Urteil vom 19.08.2019 - 31 C 227/18) ein-/ausblenden "Im Fall der Verletzung eines Tieres ist angesichts der herausgehobenen Anerkennung des Tierschutzes durch die Rechtsordnung (Art. 20 a GG, § 1 TierSchG) hierbei der § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB zu beachten, so dass die aus der Heilbehandlung des Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen. Ausgehend von der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen verbietet § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Schadensbemessung eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise (BT-Drs. 11/5463, Seite 5; BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 1589 f.). Das bedeutet zwar nicht, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz in unbegrenzter Höhe besteht (vgl. BT-Drs. 11/5463, 7 und BT-Drs. 11/7369, 7; BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 1589 f.; OLG Schleswig, Beschluss vom 19.08.2014, Az.: 4 W 19/14, u.a. in: MDR 2014, Seiten 1391 f.). Unter der Voraussetzung, dass eine Heilbehandlung tatsächlich durchgeführt wurde (vgl. BT-Drs. 11/5463, 6 und BT-Drs. 11/7369, 7), verlangt § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB aber, dass dem Interesse des Schädigers, nicht mit den Behandlungskosten belastet zu werden, bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur der Wert des Tieres gegenübergestellt wird, sondern auch das aus der Verantwortung für das Tier folgende immaterielle Interesse an der Wiederherstellung seiner Gesundheit und seiner körperlichen Integrität (BGH, Urteil vom 31.05.2016, Az.: VI ZR 465/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 2737 f.; BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 1589 f.).
So können bei Tieren mit einem geringen materiellen Wert Behandlungskosten auch dann ersatzfähig sein, wenn sie ein Vielfaches dieses Wertes ausmachen (BGH, Urteil vom 31.05.2016, Az.: VI ZR 465/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 2737 f.; BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 1589 f.; OLG München, Urteil vom 11.04.2011, Az.: 21 U 5534/10, u.a. in: VersR 2011, Seiten 1412 ff.). Es bedarf aber immer einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des konkreten Einzelfalls (BGH, Urteil vom 31.05.2016, Az.: VI ZR 465/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 2737 f.; BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 1589 f.; BGH, Urteil vom 04.04.2014, Az.: V ZR 275/12, u.a. in: NJW 2015, Seiten 468 ff.).
Nach Auffassung des Gesetzgebers kommt es für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze auf das Maß des Verschuldens des Schädigers, das individuelle Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem verletzten Tier sowie darauf an, ob die aufgewendeten Heilbehandlungskosten aus tiermedizinischer Sicht vertretbar gewesen sind (vgl. BT-Drs. 11/5463, Seite 7; BGH, Urteil vom 31.05.2016, Az.: VI ZR 465/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 2737 f.; BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 1589 f.). Diese Aufzählung schließt weitere dem Normziel dienende Kriterien im Einzelfall im Übrigen nicht aus.
Aus diesem Grund kann im Fall der Verletzung eines Tieres der Schädiger den Geschädigten selbst bei unverhältnismäßig hohen Heilbehandlungskosten nicht gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Wertersatz in Geld verweisen; der Schädiger schuldet dem Geschädigten vielmehr – in Ausnahme von dieser Vorschrift – gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB den Ersatz der noch als verhältnismäßig zu erachtenden Tierbehandlungskosten (BGH, Urteil vom 27.10.2015, Az.: VI ZR 23/15, u.a. in: NJW 2016, Seiten 1589 f.)." vgl. AG Brandenburg, Urteil vom 19.08.2019 - 31 C 227/18 (externer Link) | Rn. 9-2457 |
Insbesondere soll der Wert des Tieres grundsätzlich keinen Faktor darstellen, wonach z. B. der sechsfache Wert noch zu erstatten sei, darüber hinaus aber nichts. vgl. LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14 |
Rn. 9-2458 | Zitat (LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14) ein-/ausblenden "Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Behandlungskosten gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB folgt das Gericht nicht der Meinung des OLG München (Urteil vom 11.04.2011, Az.: 21 U 5534/10, zitiert nach juris), das eine starre Grenze (sechsfacher Wert) favorisiert. Der Wert des Tieres ist schon nach dem Normzweck nicht Ausgangspunkt der Bestimmung der Verhältnismäßigkeit. Im Gegenteil hat der Wert des Tieres nur Bedeutung in einem eingeschränkten Maße (Münchener Kommentar-Oetker, BGB, 6. Auflage, § 251 Rn. 62)." vgl. LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14 (externer Link) | Rn. 9-2459 |
Der BGH hat es aber akzeptiert, auch mal einen solchen Faktor als Berechnung des Limits zu akzeptieren, so den dreifachen Wert eines Jack-Russel-Mischlings, welches zu maximal erstattungsfähigen Behandlungskosten von 3.000 € geführt habe. vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15 |
Rn. 9-2460 | Zitat (BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15) ein-/ausblenden "(2) Dass es ausgehend von dieser Würdigung der konkreten Umstände des Streitfalles die Verhältnismäßigkeitsgrenze letztlich bei dem dreifachen Betrag der jährlichen Kosten der Tierhaltung gezogen hat, hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Zwar hat der Gesetzgeber es abgelehnt, die Grenze der Zumutbarkeit als Haftungsgrenze danach zu bestimmen, was ein verständiger Tierhalter in der Lage des Geschädigten aufgewendet hätte, um zu ermöglichen, dass weitestgehend ein sachgerechter Interessenausgleich erreicht werden kann. Doch hat er diesen Gesichtspunkt damit nicht als einen unter mehreren im Rahmen der Gesamtbetrachtung des Einzelfalls verworfen (vgl. BT-Drucks. 11/5463 S. 7 und 11/7369 S. 7)." vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15 (externer Link) | Rn. 9-2461 |
Im Ergebnis wurden Behandlungskosten von 5.352,28 € für die Behandlung eines Jack-Russell-Terriers noch als verhältnis- und erstattungsfähig ausgeurteilt. Dies wurde damit begründet, dass den Schädiger einen Schuldvorwurf traf und es sich bei dem geschädigten Tier um einen langjährigen Familienhund handelte. Ob dies verallgemeinerungsfähig ist, ist unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH (BGH, Urteil vom 27.10.2015 - VI ZR 23/15) fraglich. vgl. LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14 |
Rn. 9-2462 | Zitat (LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14) ein-/ausblenden "Unter Einbeziehung all dieser Aspekte gelangt das Gericht nicht zu dem Ergebnis, dass die beim Kläger unstreitig angefallenen kausalen Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 5.352,28 € unverhältnismäßig im Sinne des § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB sind. Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Ehemann der Beklagten am 03.07.2012 den Rhodesian Ridgeback der Beklagten ohne Maulkorb nicht sicher an der Leine führte, da sich dieser losreißen konnte. Insoweit muss sich die Beklagte einen erheblichen Schuldvorwurf zurechnen lassen. Zudem kommt entscheidende Bedeutung dem immateriellen Interesse des Klägers an seinem Hund zu, der bereits seit Jahren der Hund der Familie ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Behandlungskosten für den Hund, die sich sukzessive erhöhten und nicht von vornherein in dieser Höhe erkennbar waren, nicht auch von einem Hundehalter ausgegeben worden wären, der wegen einer fehlenden Fremdschädigung nicht die Möglichkeit zum Schadensersatz gehabt hätte. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Heilbehandlung des Hundes des Klägers zum Erfolg geführt hat und damit auch dem Gesichtspunkt des Tierschutzes zum Erfolg verholfen worden ist. Das Bestreiten des vorherigen Gesundheitszustandes des Hundes des Klägers mit Nichtwissen ist unzulässig, wenn dieser Aspekt zu den wertbildenden Faktoren gehört (Münchener Kommentar-Oetker, aaO., § 251 Rn. 63). Der streitige materielle Wert des Hundes des Klägers allein führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Heilbehandlungskosten, wobei hinzutritt, dass die Wertermittlung von 200,00 € durch die Beklagte aus ihren Darlegungen nicht nachvollziehbar ist." vgl. LG Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 - 10 O 582/14 (externer Link) | Rn. 9-2463 |
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