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Ein Radfahrer hat ein Mitverschulden von durchaus 80% zu tragen, wenn er von einer Person geschädigt wird, welche zwar rechtswidrig und sorgfaltslos auf den Radweg tritt, dies aber beim Aussteigen aus einem öffentlichen Verkehrsmittel geschieht. Denn der Radfahrer muss mit Fahrgästen rechnen und auf diese Rücksicht nehmen.
vgl. KG, Beschluss vom 15.01.2015 - 29 U 18/14


 Rn.  9-1877


Zitat (KG, Beschluss vom 15.01.2015 - 29 U 18/14) ein-/ausblenden      

"6. Die Klägerin ist freilich eine Mitverschuldensquote von 80% gem. § 254 Abs. 1 BGB anzurechnen. Für ihren Sturz vom Fahrrad war ihr Sorgfaltsverstoß gegen § 20 Abs. 2 StVO ebenfalls ursächlich. Sie hätte rechts nur vorbeifahren dürfen, wenn eine Gefährdung der Fahrgäste ausgeschlossen ist.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hatte sie beim Passieren der Haltestelle § 20 Abs. 2 StVO zu beachten. Die Vorschrift ist dann ebenso anzuwenden, wenn Fahrgäste beim Verlassen öffentlicher Verkehrsmittel zunächst einen Bürgersteig erreichen und erst anschließend einen Radweg passieren (Heß a. a. O., § 20 StVO Rn. 5; zweifelnd Landgericht Heidelberg, a. a. O.). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut von § 20 Abs. 2 StVO. Ihm sind keine Einschränkungen im Sinne der klägerischen Ansicht zu entnehmen. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift lassen sich Einengungen des Anwendungsbereichs ebenfalls nicht begründen. Die Norm soll die Gefahren für ein- und aussteigende Fahrgäste verringern und erhöht deswegen die Sorgfaltspflichten der rechts Vorbeifahrenden. Die Gefahren sind für Fahrgäste, die unmittelbar auf eine Fahrbahn aussteigen müssen, höher. Gefährlich sind derartige Situationen aber auch für die Fahrgäste, wenn sie zunächst einen für Fußgänger reservierten Bereich erreichen können und erst anschließend den Radweg zum Verlassen der Haltestelle betreten müssen. Dies schon deswegen, weil relativ schmale Bereiche für Fußgänger von bis zu drei Metern häufig nicht geeignet sind, eine größere Zahl von aussteigenden Fahrgästen aufzunehmen, diese mithin durch die nachrückenden auf den anschließenden Radweg gedrängt werden. Da die Vorschrift nach der amtlichen Begründung (VkBl. 95, 532) die Fahrgäste von Omnibussen des Linienverkehrs schützen soll, spricht nichts dafür, sie einschränkend auszulegen.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der dargestellten Auslegung des Anwendungsbereichs von § 20 Abs. 2 StVO das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 4. November 2008 - VI ZR 171/07 -, NJW-RR 2009, 239 ff. zitiert nach Juris) nicht entgegensteht. Der Sachverhalt dieser Entscheidung betraf keinen aussteigenden Fahrgast.

Bei der gemäß § 254 Abs. 1 BGB gebotenen Haftungsabwägung ist einerseits zu berücksichtigen, dass § 20 StVO Fahrgäste nicht von ihren Verhaltenspflichten aus § 25 StVO entbindet (Zieres in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage 2011, Kap. 27 Rn. 515). Andererseits ist ein erhebliches anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin in Ansatz zu bringen. Dieses wiegt deutlich schwerer als das fahrlässige Verschulden des Beklagten, § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO unmittelbar nach Verlassen des Busses missachtet zu haben. Die Klägerin hat nämlich § 20 Abs. 2 StVO - eine der sog. Kardinalpflichten der Straßenverkehrsordnung - verletzt. Sie hätte die Haltestelle nur passieren dürfen, wenn eine Gefährdung von Fahrgästen “ausgeschlossen” ist, was ersichtlich nicht der Fall war. Angemessen erscheint dem Senat eine Haftungsquote von 80% zu Lasten der Klägerin."

vgl. KG, Beschluss vom 15.01.2015 - 29 U 18/14 (externer Link)


 Rn.  9-1878