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Inhalt der Fahrschulausbildung ist das Hinführen des Fahrschülers zu einem sicheren Fahrzeugführer. Die Ausbildung muss schrittweise erfolgen, also von den elementaren Grundfähigkeiten über leichtere Aufgaben bis zu schwierigeren Situationen. vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30.01.2004 - 9 U 143/03 |
Rn. 9-358 | Zitat (OLG Hamm, Urteil vom 30.01.2004 - 9 U 143/03) ein-/ausblenden "Zu den Pflichten gehört, dass dem Fahrschüler keine Aufgaben gestellt werden, die er nicht oder noch nicht bewältigen kann, weil sie seinem Ausbildungsstand noch nicht entsprechen (OLG Celle, OLGR Celle, 2001, 115; OLG Hamm, VersR 1998, 910; KG VerkMitt, 2004, 4). An die Erfüllung dieser Pflicht ist ein strenger Maßstab anzulegen, insbesondere wenn es sich um einen Zweiradfahrschüler handelt. Die Verschärfung ist daraus gerechtfertigt, dass bei der Zweiradausbildung der Fahrlehrer nicht jederzeit in das Fahrgeschehen einzugreifen vermag, sondern den Fahrschüler lediglich beobachten und über Funk Anweisungen erteilen kann. Ziel und Inhalt der Ausbildung ist die Hinführung zum sicheren Fahrzeugführer. Die Ausbildung muss deshalb dem Fahrschüler die zur Führung eines Kraftfahrzeuges im Verkehr erforderlichen Fähigkeiten vermitteln, er soll nach einer ungeschriebenen Regel "von Bekanntem zum Unbekanntem, von Leichtem zu Schwierigem" geführt werden. Der Ablauf des praktischen Unterrichts lässt sich aus § 5 FahrschAusbO im Zusammenhang mit Anlage 3 entnehmen. Dort ist unter Ziffer 18 der zusätzliche Ausbildungsstoff für die Klasse A genannt. Daraus folgt, dass ein hierauf basierender Stufenlehrplan dem Schüler zunächst die elementaren Grundbegriffe vermitteln muss, bevor er diesen eigenverantwortlich im öffentlichen Verkehrsbereich fahren lässt. Insbesondere soll der Fahrlehrer den Schüler ständig begleiten und erst dann aus seinem unmittelbaren Eingriffsbereich entlassen, wenn dieser sicher in der Bedienung von Kupplung, Bremse und Gas sowie auf das Fahren von Kurven durch Vor-übungen wie Kreisfahren, Wenden oder langsamen Slalom vorbereitet ist (OLG Celle a.a.O; OLG Hamm a.a.O)." vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30.01.2004 - 9 U 143/03 (externer Link) | Rn. 9-359 |
Die Pflichten eines Fahrlehrers beruhen auf dem jeweiligen Ausbildungsvertrag und der Fahrschulausbildungsverordnung. Sie beinhalten insbesondere die gehörige Einweisung und Vorbereitung des Fahrschülers. Das beinhaltet sowohl Wissensvermittlung als auch Einübung der praktischen Abläufe. vgl. OLG Celle, Urteil vom 14.12.2000 - 14 U 134/00 |
Rn. 9-360 | Zitat (OLG Celle, Urteil vom 14.12.2000 - 14 U 134/00) ein-/ausblenden "Der Beklagte zu 1 hat die ihm gemäß §§ 3 Abs. 1 StVG a.F., 6 Abs. 1 StVZO a.F. und gemäß § 6 FahrlG i. V. m. §§ 1, 3, 5 Fahrschüler-Ausbildungsordnung a.F. (FahrschulAusbO) gegenüber dem Kläger obliegenden Pflichten verletzt, indem er entgegen diesen Vorschriften den Kläger nicht hinreichend theoretisch und praktisch in das Führen eines Kraftrades eingewiesen und ihn durch eine Übung im öffentlichen Verkehrsraum bereits in der ersten Fahrstunde überfordert hat." vgl. OLG Celle, Urteil vom 14.12.2000 - 14 U 134/00 (externer Link) | Rn. 9-361 | Zitat (§ 1 Fahrsschulausbildungsverordnung 2012) ein-/ausblenden "§ 1 Ziel und Inhalt der Ausbildung
(1) Ziel der Ausbildung ist die Befähigung zum sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmer. Ziel der Ausbildung ist außerdem die Vorbereitung auf die Fahrerlaubnisprüfung.
(2) Die Ausbildung hat ein Verkehrsverhalten zu vermitteln, das
1.
Fähigkeiten und Fertigkeiten, um das Fahrzeug auch in schwierigen Verkehrssituationen zu beherrschen,
2.
Kenntnis, Verständnis und Anwendung der Verkehrsvorschriften,
3.
Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Wahrnehmung und Kontrolle von Gefahren einschließlich ihrer Vermeidung und Abwehr,
4.
Wissen über die Auswirkungen von Fahrfehlern und eine realistische Selbsteinschätzung,
5.
Bereitschaft und Fähigkeit zum rücksichtsvollen und partnerschaftlichen Verhalten und das Bewusstsein für die Bedeutung von Emotionen beim Fahren und
6.
Verantwortung für Leben und Gesundheit, Umwelt und Eigentum
einschließt." vgl. § 1 Fahrsschulausbildungsverordnung 2012 (externer Link) | Rn. 9-362 |
Der Fahrlehrer hat die Pflicht, ein zum Fahrschüler passendes Fahrzeug bereitzustellen. Dabei kommt es gerade bei einem Motorrad auch auf Größe und Kraft sowie Lernfortschritte des Fahrschülers an. vgl. KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04 |
Rn. 9-363 | Zitat (KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04) ein-/ausblenden "Das Kraftrad Yamaha Virago war entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch unter Berücksichtigung ihrer Körpergröße von lediglich 1,59 cm für sie nicht grundsätzlich ungeeignet.
Der durch das Berufungsgericht beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. Ulrich W. hat in seinem nachvollziehbaren, ausführlichen Gutachten vom 21. Februar 2006, dem sich das Gericht anschließt, ausgeführt, dass die Klägerin bei der durch ihn durchgeführten Sitzprobe mit beiden Fußballen gleichzeitig den Boden erreichen konnte, als sie auf dem Fahrersitz der Maschine, der eine Höhe von 73 cm hat, aufsaß. Sie sei auch in der Lage gewesen, das Motorrad selbständig senkrecht in der Balance zu halten.
In seiner mündlichen Anhörung vom 4. September 2006 hat der Sachverständige zwar auch ausgeführt, dass bei bspw. Straßenunebenheiten für den Fahrer keine Reserve mehr vorhanden sei, wenn er lediglich mit den Fußballen und nicht mit der ganzen Fußsohle den Boden erreichen könne. In diesem Fall sei es erforderlich, dass der Fahrer die Maschine leicht seitlich neige um mit einem Fuß vollflächig den Boden berühren zu können. Dies sei jedoch, wie der Sachverständige weiter ausführte, vorliegend für den Unfall unerheblich und nicht ursächlich gewesen.
Die Klägerin konnte ihre Behauptung, sie sei auf Grund ihrer kleinen Hände nicht in der Lage gewesen, die Kupplungs- und Bremshebel der Yamaha ordnungsgemäß zu bedienen, ebenfalls nicht erfolgreich unter Beweis stellen.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen ergaben sich hinsichtlich der Abmessungen der Hebel an dem Kraftrad Yamaha Virago und dem Kraftrad Honda Rebel 125, welches die Klägerin auch nach ihrem eigenen Vorbringen ohne Probleme zu bedienen in der Lage war, keine messbaren Unterschiede. Wie der Sachverständige auf S. 4, 5 seines Gutachtens ausführt, sind die Hebel an beiden Maschinen sowohl hinsichtlich des Abstandes vom Lenkergriff, als auch hinsichtlich des erforderlichen Kraftaufwandes zur Betätigung vergleichbar. Unterschiede bestanden nach den Angaben des Sachverständigen lediglich im Material der beiden Lenkergriffe, wobei der Griff der Honda Rebel vom Material her glatter ist und dieser in der Handhabung subjektiv damit möglicherweise einfacher erscheint." vgl. KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04 (externer Link) | Rn. 9-364 |
Auch bei einem Fahrschüler, der nicht mehr am Anfang der Ausbildung steht, ist aber mit einem Fehlverhalten des Fahrschülers zu rechnen, was auch bei der Auswahl der Maschine maßgeblich ist. Wenn besonderes Bremsverhalten zwischen Vorder- und Hinterradbremse erforderlich ist, wird die Maschine wohl nicht für einen Fahrschüler in Ausbildung geeignet sein. vgl. LG Halle, Urteil vom 06.05.2022 - 5 O 424/19 |
Rn. 9-365 | Zitat (LG Halle, Urteil vom 06.05.2022 - 5 O 424/19) ein-/ausblenden "Soweit er dies der Verantwortung des Klägers zuschiebt, wonach dieser offenbar nicht beide Bremsen gleichmäßig stark gezogen habe oder die vordere Bremse zu stark im Verhältnis zur hinteren, verfängt dies nicht. Denn - unterstellt es war so - der Beklagte musste damit rechnen, dass der Kläger als Fahrschüler, auch wenn er nicht mehr am Anfang der praktischen Fahrübungen stand, das gleichmäßige oder unterschiedliche Ziehen beider Bremsen nicht vollkommen beherrscht, wie aus den gefilmten Bremsübungen ersichtlich." vgl. LG Halle, Urteil vom 06.05.2022 - 5 O 424/19 (externer Link) | Rn. 9-366 |
Ein Motorrad ist für einen Fahrschüler ungeeignet, wenn das Motorrad bei dieser Person (aufgrund Größe, Gewicht etc) beim Bremsen binnen 1 Sekunde den Bodenkontakt verlieren kann, weil das Hinterrad abhebt. vgl. LG Halle, Urteil vom 06.05.2022 - 5 O 424/19 |
Rn. 9-367 | Zitat (LG Halle, Urteil vom 06.05.2022 - 5 O 424/19) ein-/ausblenden "Der Sachverständige nimmt Bezug auf die im schriftlichen Gutachten dargestellten durchgeführten Fahrversuche und darauf, dass sich, als er selbst mit dem Vergleichskraftrad gefahren sei, das Hinterrad nicht abgehoben habe, bei dem im Verhältnis zu ihm größeren Vergleichsfahrer (Körpergröße 185 cm, Körpergewicht 99 Kilo) sich das Hinterrad hingegen bereits bei geringeren Geschwindigkeiten abgehoben habe. Daher, so der Sachverständiger weiter, sei das verwendete Fahrschul-Motorrad für den Kläger unter Berücksichtigung seiner Körpergröße und des dadurch verlagerten Schwerpunktes nach oben ungeeignet gewesen. Es wäre aus technischer Sicht sinnvoll gewesen, dem Kläger ein Motorrad mit einem längeren Radstand und gegebenenfalls tieferen Schwerpunkt zur Verfügung zu stellen. Auch sei es erforderlich, direkt auf die Gefahr des Hinterradanheben hinzuweisen. Das Anheben des Hinterrades sei bereits ein instabiler Zustand, der von einem unerfahrenen Fahrer möglicherweise erst zu einem Zeitpunkt bemerkt werde, zu welchem es ihm nicht mehr möglich sei, durch entsprechendes Lösen der Bremse das weitere Aufsteigen zu unterbinden, das unter Berücksichtigung sehr ungünstigen Umständen in einer Zeit von weniger als 1 Sekunde erfolgen könne." vgl. LG Halle, Urteil vom 06.05.2022 - 5 O 424/19 (externer Link) | Rn. 9-368 |
Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass ein Kraftrad ungeeignet gewesen wäre, nur weil es einen Unfall gab. vgl. LG Halle, Urteil vom 06.05.2022 - 5 O 424/19 |
Rn. 9-369 | Zitat (LG Halle, Urteil vom 06.05.2022 - 5 O 424/19) ein-/ausblenden | Rn. 9-370 |
Der Wechsel des Mototrades stellt zunächst keine Pflichtverletzung des Fahrlehrers dar. Selbstverständlich muss auch das neue Motorrad für den Fahrschüler geeignet sein. Bei einem Wechsel des Mottorrades ist es jedenfalls unschädlich, wenn die Betriebseinrichtungen wie Bremshebel und Kupplungshebel marginal unterschiedliche Größe zum vorherigen Motoirrad aufweisen. vgl. KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04 |
Rn. 9-371 | Zitat (KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04) ein-/ausblenden "12Der Fahrlehrer hat im Rahmen der ihm obliegenden Ausbildung dafür Sorge zu tragen, dass dem Fahrschüler keine Aufgaben gestellt werden, die er nicht oder noch nicht bewältigen kann, weil sie dem Ausbildungsstand oder den Fähigkeiten nicht entsprechen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 5. April 2005 – 9 U 41/03 -, VRS 109, 161).
13Dem ist der Beklagte zu 2. vorliegend gerecht geworden. Nach dem unstreitigen Vorbringen handelte es sich um jedenfalls die vierte Doppelunterrichtsstunde. Die Klägerin hatte in den Unterrichtsstunden zuvor einen Ausbildungsstand erreicht, der es ihr ermöglichte das etwas kleinere Kraftrad sicher zu fahren, wobei sie nach ihren eigenen Angaben allein beim ruckartigen Bremsen noch ein Unsicherheitsgefühl hatte. Wenn der Beklagte zu 2. bei diesem Ausbildungsstand der Klägerin diese zu Beginn jedenfalls der vierten Doppelstunde der praktischen Ausbildung auffordert, mit einer leicht größeren Maschine auf dem Übungsgelände langsam anzufahren, so liegt darin keine eine Haftung begründende Pflichtverletzung.
14Auch wenn die Klägerin ihm gegenüber angegeben hatte, mit den Hebeln der größeren Maschine schlechter klarzukommen, als mit denjenigen der kleineren Honda Rebel, die sie bisher gefahren hatte, musste dies für den Beklagten keine Veranlassung geben, von seiner Aufforderung, die Klägerin möge erst einmal losfahren, Abstand zu nehmen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die messbaren und äußerlich erkennbaren Unterschiede der Anordnung der Hebel derart gering waren, dass der Sachverständige W. sie als kaum messbar eingeordnet hatte.
(...)
Dass die Klägerin jedoch allein auf Grund der geringen Abweichungen nicht in der Lage sein würde, das Motorrad nach einem kurzen Anfahren – es handelte sich nach ihrer eigenen Einlassung um eine Fahrstrecke von etwa 10 Metern, nach den Angaben des Beklagten zu 2) um etwa 30 bis 40 Meter – ordnungsgemäß zum Stillstand zu bringen, musste sich dem Beklagten zu 2) nicht aufdrängen, hiermit konnte und musste er nicht rechnen." vgl. KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04 (externer Link) | Rn. 9-372 |
Dass der Wechsel eines Fahrzeuges in der Ausbildung zu Zweifeln des Fahrschülers führen kann, ist nicht ungewöhnlich. Gibt es aber objektiv keine Veranlassung des Fahrlehrers, wegen der Vergleichbarkeit der Fahrzeuge an der Geeignetheit des Fahrzeuges zu zweifeln, stellt es keine Pflichtverletzung dar, wenn er bei bestehender Sicherheit des Fahrschülers auf dem vorherigen Zweirad mit dem neuen Fahrzeug eine leichte Übung (Anfahren und Bremsen) auf dem anderen Zweirad durchführen lässt. vgl. KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04 |
Rn. 9-373 | Zitat (KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04) ein-/ausblenden "Auch wenn die Klägerin ihm gegenüber angegeben hatte, mit den Hebeln der größeren Maschine schlechter klarzukommen, als mit denjenigen der kleineren Honda Rebel, die sie bisher gefahren hatte, musste dies für den Beklagten keine Veranlassung geben, von seiner Aufforderung, die Klägerin möge erst einmal losfahren, Abstand zu nehmen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die messbaren und äußerlich erkennbaren Unterschiede der Anordnung der Hebel derart gering waren, dass der Sachverständige W. sie als kaum messbar eingeordnet hatte." vgl. KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04 (externer Link) | Rn. 9-374 |
Bei dem Wechsel eines Motorrades im Rahmen der Ausbildung muss aber überprüft werden, ob der Fahrschüler mit der Maschine genauso zurecht kommt, wie mit der zuvor genutzten Ausbildungsmaschine. Wenn nach einer kurzen praktischen Erprobung sich Schwierigkeiten ergeben oder Bedenken des Fahrschülers bestätigen, muss der Fahrlehrer darauf reagieren und entweder wieder zu der Nutzung des anderen Motorrades übergehen oder den Fahrschüler an die Nutzung der neuen Maschine durch geeignete Übungen heranführen. vgl. KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04 |
Rn. 9-375 | Zitat (KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04) ein-/ausblenden "Wenn die Klägerin nach einem ersten Anfahren und wieder Anhalten ihre erste Einschätzung, sie habe bei der Bedienung der Kupplungs- und Bremshebel kein gutes Gefühl, bestätigt hätte, so wäre der Beklagte zu 2. sicher gehalten gewesen, dies zu überprüfen, bevor er mit der Klägerin auf dieser Maschine weitere Fahrübungen bzw. gar ein Fahren im öffentlichen Straßenverkehr durchgeführt hätte." vgl. KG, Urteil vom 04.09.2006 - 12 U 224/04 (externer Link) | Rn. 9-376 |
Neben den aus der Persönlichkeit des Fahrschülers stammenden Umständen (z.B. Alter, Reife, Sicherheit und Vorsichtsgefühl) ist wesentliches Kriterium zur Bemessung von Art und Umfang der Überwachung eines Fahrschülsers sein Ausbildungsstand. Je weiter die Ausbildung schon gefruchtet hat, desto weniger Überwachung muss der Fahrlehrer sicherstellen. vgl. LG Bonn, Urteil vom 20.11.2007 - 2 O 367/06 |
Rn. 9-377 | Zitat (LG Bonn, Urteil vom 20.11.2007 - 2 O 367/06) ein-/ausblenden "Kriterium für das Maß der Überwachungspflichten ist der Ausbildungsstand. Ein Fahrschüler, der durch bisherige Übungsfahrten gezeigt hat, dass er das Fahrzeug beherrscht, bedarf geringerer Aufsicht und Anweisung als der noch unsicher Fahrende." vgl. LG Bonn, Urteil vom 20.11.2007 - 2 O 367/06 (externer Link) | Rn. 9-378 |
Je unerfahrener ein Fahrschüler ist, desto wesentlicher sind die Pflichten des Fahrlehrers. Verschärft ist der Pflichtenumfang zudem bei der besonders gefahrträchtigen Zweiradausbildung. Das ist gerechtfertigt, weil der Fahrschüler bei der Bedienung auf sich allein gestellt ist. vgl. OLG Celle, Urteil vom 14.12.2000 - 14 U 134/00 |
Rn. 9-379 | Zitat (OLG Celle, Urteil vom 14.12.2000 - 14 U 134/00) ein-/ausblenden "Zu seinen sich aus §§ 3 StVG, 6 StVZO ergebenden Pflichten gehört es für den Fahrschullehrer, den Fahrschüler nach Möglichkeit vor Schaden zu bewahren. Er darf dem Fahrschüler daher keine Aufgaben stellen, die dieser nicht oder noch nicht bewältigen kann, weil sie seinem Ausbildungsstand und seinen Fähigkeiten nicht oder noch nicht entsprechen (OLG Saarbrücken NZV 1998, 246, 247; OLG Frankfurt NJW-RR 1988, 26; KG NZV 1989, 150, 151; VRS 31, 175; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 3 StVG Rn. 6).
An die Erfüllung dieser Pflichten des Fahrlehrers ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt insbesondere, wenn es sich -- wie im Streitfall -- um die erste Fahrstunde (vgl. BGH NJW 1969, 2197) und zudem um die Schulung eines Zweiradfahrschülers handelt. Die Verschärfung der an den Fahrlehrer zu stellenden Anforderungen bei der Zweiradschulung ist gerechtfertigt, weil der Fahrlehrer naturgemäß nicht in demselben Fahrzeug wie der Schüler sitzt und nicht wie bei einem Pkw-Schulungsfahrzeug über die sog. Doppelbedienungseinrichtungen jederzeit in das Fahrgeschehen eingreifen kann, sondern den Fahrschüler lediglich beobachten und ihm allenfalls über Funk situationsbezogene Anweisungen erteilen kann (OLG Saarbrücken a. a. O.; OLG Frankfurt a. a. O.)." vgl. OLG Celle, Urteil vom 14.12.2000 - 14 U 134/00 (externer Link) | Rn. 9-380 |
Der Ausbildungsstand eines Fahrschülers verbietet es nicht, ihm unbekannte Aufgaben zu stellen. Denn es gehört zum Wesen der Ausbildung, dass Neues erlernt werden muss. Wichtig ist indes, dass dem Fahrschüler die Aufgaben verständlich erklärt werden, der Fahrschüler Verständnis für die Aufgabe hat und er hinsichtlich der dafür erforderlichen Fähigkeiten herangeführt wird. vgl. LG Bonn, Urteil vom 20.11.2007 - 2 O 367/06 |
Rn. 9-381 | Zitat (LG Bonn, Urteil vom 20.11.2007 - 2 O 367/06) ein-/ausblenden "Dazu gehört, dass einem Fahrschüler keine Aufgaben gestellt werden, die er nicht oder noch nicht bewältigen kann, weil sie dem Ausbildungsstand noch nicht entsprechen (OLG Hamm NZV 2005, 637 ff.). Dies gilt insbesondere bei der Ausbildung auf dem Zweirad, weil hier der Fahrschüler auf sich allein gestellt ist und nur Anweisungen über Funk erhalten kann. Zudem kommt bei einem Zweirad die besondere Gefahr des Sturzes hinzu. Allerdings gehört zur Ausbildung auch das Heranführen an schwierige Fahrsituationen. Zudem ist es jeder Ausbildung immanent, dass der Lernende erstmals mit neuen Situationen konfrontiert wird." vgl. LG Bonn, Urteil vom 20.11.2007 - 2 O 367/06 (externer Link) | Rn. 9-382 |
Ein Fahrlehrer muss den Fahrschüler auf die durchzuführenden praktischen Aufgaben gehörig vorbereiten. vgl. OLG Hamm, Urteil vom 05.04.2005 - 9 U 41/03 |
Rn. 9-383 | Zitat ( OLG Hamm, Urteil vom 05.04.2005 - 9 U 41/03) ein-/ausblenden "Stürzt eine Motorradfahrschülerin bei Bremsübungen aus 50 km/h, kann für den Schaden der Fahrlehrer verantwortlich gemacht werden, wenn die Fahrschülerin nicht mit geeignetem Schulungsfahrzeug oder ausreichenden Bremsverzögerung herangeführt worden ist." vgl. OLG Hamm, Urteil vom 05.04.2005 - 9 U 41/03 (externer Link) | Rn. 9-384 |
Dem Fahrlehrer obliegt es insbesondere auch, die Örtlichkeiten und Witterungsbedingungen für Fahrmanöver sinnvoll zu bestimmen und bei bestimmten Gefahren (z.B. Nässe, Glätte) den Fahrschüler darauf vorzubereiten und ggfls. mit leichteren Übungen zu beginnen, um zu erkennen, ob der Fahrschüler mit der kommenden Aufgabe zurecht kommen dürfte. vgl. LG Bonn, Urteil vom 20.11.2007 - 2 O 367/06 |
Rn. 9-385 | Zitat (LG Bonn, Urteil vom 20.11.2007 - 2 O 367/06) ein-/ausblenden "Die Pflichtverletzung des Beklagten liegt aber darin, dass er die Gefahrbremsung auf einem rutschigen Untergrund durchführen ließ und die Klägerin nicht über die besonderen Gefahren des Wegrutschens aufklärte." vgl. LG Bonn, Urteil vom 20.11.2007 - 2 O 367/06 (externer Link) | Rn. 9-386 |
Ob der Fahrschüler bereits Vorkenntnisse hat, die die Vorbereitung und Übungen reduzieren können, muss der Fahrlehrer überprüfen und darf sich insbesondere nicht blind auf die Behauptungen des Fahrschülers verlassen. vgl. OLG München, Urteil vom 09.10.2008 - 23 U 2253/08 |
Rn. 9-387 | Zitat (OLG München, Urteil vom 09.10.2008 - 23 U 2253/08) ein-/ausblenden "Soweit der Beklagte zu 3) vorträgt, er habe nach den eigenen Aussagen der Klägerin vor Antritt der Ausbildung annehmen dürfen, diese besitze bereits Vorkenntnisse des Motorradfahrens, ist nunmehr unstreitig, dass die Klägerin bei der Anmeldung in der Fahrschule der Beklagten zu 1) entsprechende Angaben gemacht hat. Das konnte den Beklagten zu 3) jedoch nicht von der Pflicht entbinden, den Ausbildungsstand der Klägerin vor Befahren des öffentlichen Verkehrsraums selbst zu überprüfen. Allein daraus, dass die Klägerin bereits den Führerschein Klasse 1a besaß, konnte der Beklagte zu 3) auch keine Schlüsse auf ihre Fertigkeiten ziehen, da diese Fahrerlaubnis in der Pkw-Fahrerlaubnis, die die Klägerin im Jahr 1978 erworben hatte, automatisch enthalten war und zudem über entsprechende Fahrpraxis der Klägerin nichts besagte.
Auch für die danach erforderliche Kontrolle der klägerischen Fahrfertigkeiten konnte die geschilderte einmalige Anfahrübung auf dem Garagenhof keinesfalls ausreichen. Mit diesem Versäumnis hat der Beklagte zu 3) die ihm gegenüber der Klägerin obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt und gegen das Schutzgesetz des § 2 Abs. 15 StVG verstoßen." vgl. OLG München, Urteil vom 09.10.2008 - 23 U 2253/08 (externer Link) | Rn. 9-388 |
Das Fahren im Straßenverkehr darf bei einem Zweirad, wenn der Fahrlehrer also keinen Zugriff auf die Bedienung hat, erst begonnen werden, wenn der Fahrschüler das Fahrzeug sicher beherrscht. vgl. OLG Celle, Urteil vom 14.12.2000 - 14 U 134/00 |
Rn. 9-389 | Zitat (OLG Celle, Urteil vom 14.12.2000 - 14 U 134/00) ein-/ausblenden "Ein praktischer Fahrtunterricht im öffentlichen Verkehrsraum setzt daher voraus, dass der Schüler das Zweiradfahrzeug technisch beherrscht (vgl. zum Vorstehenden insgesamt OLG Hamm VersR 1985, 598; 1998, 910; OLG Jena NZV 2000, 171, 172)." vgl. OLG Celle, Urteil vom 14.12.2000 - 14 U 134/00 (externer Link) | Rn. 9-390 |
Die Ausbildung im fließenden Straßenverkehr beginnt normalerweise, wenn die Grundstufe abgeschlossen ist und die elementaren Grundbegriffe erlernt wurden. vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30.01.2004 - 9 U 143/03 |
Rn. 9-391 | Zitat (OLG Hamm, Urteil vom 30.01.2004 - 9 U 143/03) ein-/ausblenden "Nach der vorgelegten Ausbildungsdiagramkarte, deren Richtigkeit nicht im Streit ist und die nach dem curicularen Leitfaden der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände entwickelt worden ist, hat die Klägerin die Grundstufe der Ausbildung im wesentlichen abgeschlossen und auch schon Übungen der Aufbaustufe, insbesondere auch Wenden, absolviert. Damit hat die Klägerin bereits die elementaren Grundbegriffe erlernt. In diesem Ausbildungsstadium sind Übungsfahren auf öffentlichen Verkehrsflächen mit geringen fließendem Fahrzeugverkehr normal." vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30.01.2004 - 9 U 143/03 (externer Link) | Rn. 9-392 |
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