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Mit Stufen muss man in Kirchengebäuden rechnen. vgl. LG Bochum im Urteil vom 15.05.2009, Az. 4 O 476/08 |
Rn. 9-934 | Zitat (LG Bochum im Urteil vom 15.05.2009, Az. 4 O 476/08) ein-/ausblenden "1. Die Höhe der von den Verkehrssicherungspflichten jeweils zu gewährleistenden Sicherheitsstandards ist bei erkennbar alten Gebäuden und Gebäudeteilen (hier: Wendeltreppe in einem rund 100 Jahre alten Kirchturm) geringer als bei neueren Anlagen. Die enge Wendelung einer Kirchturmtreppe stellt für sich keinen Verstoß gegen die Sicherheitspflichten des Hausherrn dar. Dies gilt erst recht, wenn es sich um eine Örtlichkeit handelt, bei welcher davon ausgegangen werden kann, dass sich die Besucher eher mit Bedacht bewegen. 2. Die langjährige Mitwirkung in einem Kirchenchor führt nicht zur Annahme eines arbeitsähnlichen Verhältnisses zur Kirchengemeinde." vgl. LG Bochum im Urteil vom 15.05.2009, Az. 4 O 476/08 | Rn. 9-935 |
Auch das OLG Oldenburg hebt die Besonderheiten hervor, mit denen einerseits in alten Gebäuden, andererseits der Religionsausübung dienenden Gebäuden, zu rechnen ist. Der Verkehrsteilnehmer muss sich darauf einstellen. vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2020 - 2 U 83/20 |
Rn. 9-936 | Zitat ( OLG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2020 - 2 U 83/20) ein-/ausblenden "Die allgemeine Rechtspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung Anderer zu nehmen, beruht auf dem Gedanken, dass jeder, der Gefahrenquellen schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen hat. Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muss nicht für alle denkbaren entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Sie ist vielmehr auf solche Gefahrenquellen beschränkt, mit denen der übliche Verkehr nach seinen vernünftigen Sicherheitserwartungen nicht zu rechnen braucht und auf die er sich nicht ohne weiteres selbst einstellen kann (vgl. BGH, Urteil v. 21.06.1979 – III ZR 58/78). Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginnt grundsätzlich dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 30.06.2016 – 11 U 111/15, SVR 2017, 64, beck-online).
Da diese Erwartungen bei erkennbar alten Gebäuden und Gebäudeteilen, so auch einer Treppe in einer Kirche, im allgemeinen geringer sind als bei neueren Anlagen, muss sich dies auch bei der Bestimmung der Höhe der von den Verkehrssicherungspflichten jeweils zu gewährleistenden Sicherheitsstandards auswirken (OLG Hamm, r+s 1997, 331, 332; OLG Koblenz, NJOZ 2002, 1960, 1961; LG Bremen, Urteil v. 25.04.2006, 8 O 1146/05). Dies schließt es nicht aus, dass die dringenden Sicherheitsbedürfnisse eingehalten werden müssen. Das bedeutet z.B., dass auch bei alten Gebäuden eine standfeste Treppe und ausreichende Trittbreite erforderlich sind (OLG Hamm, r+s 1997, 331, 332).
Art und Ausmaß der Verkehrssicherungspflichten in Kirchen werden darüber hinaus von den religiösen Besonderheiten mitgeprägt (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 1991, 153; Geigel Haftpflichtprozess, Kapitel 14. Anwendungsfälle des § 823 Abs. 1 BGB Rn. 117, beck-online).
b) Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier mit der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass bereits eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte nicht vorliegt. Weder die von der Klägerin gerügte fehlende Markierung, noch eine fehlende Beleuchtung der Treppenstufe lassen einen Verstoß erkennen.
Bei dem Betreten des mit Stufen abgesetzten Altarraums mit Hochaltar muss und kann sich ein Besucher, der diese Ebene betritt, auf die entsprechende bauliche Ausführung einstellen. Das hat die Klägerin nach eigenem Vorbringen auch getan, als sie ohne Sturz die Treppenstufe zum Taufbecken heraufgestiegen ist. Die gesamte Treppenanlage war für sie ohne weiteres erkennbar. Ein überraschendes Auftreten einer Gefahrenstelle liegt ersichtlich nicht vor. Etwaige Beanstandungen hinsichtlich dringender Sicherheitsbedürfnisse wie der Standsicherheit oder der ausreichenden Trittbreite werden nicht gerügt und sind auch nicht ersichtlich.
Zutreffend hat das Landgericht die religiöse Besonderheit herausgestellt, dass sich der Publikumsverkehr in katholischen Kirchen im Wesentlichen auf das Kirchenschiff konzentriert. Das Betreten des Altarraums ist die Ausnahme im Fall besonderer Zeremonien, wie hier z.B. der Taufe. Daran ändert auch ein von der Klägerin behauptetes in den letzten 30 Jahren geändertes Kirchenverständnis nichts. Insofern ist die Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Koblenz v. 12.07.1990 – Az 5 W 419/90 zu einer vergleichbaren Konstellation sachgerecht." vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 01.09.2020 - 2 U 83/20 (externer Link) | Rn. 9-937 |
Auch in Geschäftslokalen sind Stufen nicht grundsätzlich unzulässig. Die Kunden müssen diese wahrnehmen können. Das wird in der Regel so sein, wenn die Stufe sogar markiert ist. vgl. AG Eisenach, Urteil vom 29.09.2011 - 54 C 22/10 |
Rn. 9-938 | Zitat (AG Eisenach, Urteil vom 29.09.2011 - 54 C 22/10) ein-/ausblenden "Die Beklagte hat ihre Sorgfaltspflicht als Ladenbetreiberin ausreichen genüge getan, indem sie das rotweiße Klebeband an der Gefahrenstelle befestigt hatte. Die Signalwirkung dieses Klebebandes ist auch dem ausgedruckten, der Klageschrift beigefügtem Lichtbild (Bl. 16 d. A. Anlage K 4) zu entnehmen. Die Klägerin musste bereits nach Betreten des Ladens die Stufe nehmen, über die sie beim Verlassen des Geschäfts stolperte. Diese Leistung gelang der Klägerin problemlos. Zu vermuten ist deshalb, dass sie zu dieser Zeit ihrer Fortbewegung mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Hätte die Klägerin sich auf dem Weg aus dem Laden hinaus ebenso verhalten, wäre sie nicht zu Fall gekommen. Schon mit dem problemlosen Überwinden der kleinen Hürde hat die Klägerin dokumentiert, dass sie sehr wohl in der Lage war, sich auf eine Treppenstufe einzustellen. Sie hätte ebenso beim Verlassen des Ladens mit nur geringer Anstrengung die ca. 10 cm hohe Stufe (die Örtlichkeit ist gerichtsbekannt) wieder erkennen können." vgl. AG Eisenach, Urteil vom 29.09.2011 - 54 C 22/10 (externer Link) | Rn. 9-939 |
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