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Die Verkehrssicherungspflicht erfordert, einen Zustand zu unterhalten, bei dem der gewöhnliche Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet wird. Allerdings müssen auch leichte Fehler und Unachtsamkeiten der Verkehrsteilnehmer vom Verkehrssicherungspflichtigen bedacht und eingeplant werden. vgl. OLG Oldenburg im Urteil vom 05.09.2008, Az. 6 U 189/07 |
Rn. 9-1241 |
Allerdings sind die Pflichten nicht grenzenlos. Vielmehr ist nur das der Billigkeit Entsprechende im Rahmen der Verkehrssicherung abzuverlangen. vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 15.01.2008 - 2 U 1/07 |
Rn. 9-1242 | Zitat (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 15.01.2008 - 2 U 1/07) ein-/ausblenden "Inhalt der Verkehrssicherungspflicht kann nur sein, was im Interesse des Verkehrs nach objektivem Maßstab billigerweise verlangt werden kann und zumutbar ist (so OLG Schleswig, VersR 1989, 627; OLG Hamm, OLGZ 1994, 301, 303). Der allgemeine Grundsatz, dass sich der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen muss, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (vgl. BGH, VersR 1979, 1055), gilt auch für die Nutzer eines Gehweges oder einer Parkanlage. " vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 15.01.2008 - 2 U 1/07 (externer Link) | Rn. 9-1243 |
Der Verkehrssicherungspflichtige ist auch zu Kontrollen verpflichtet. Art und Umfang der erforderlichen Kontrollen sind einzelfallabhängig. Sie sind aber bzgl. Bauteilen auch ohne Anlass zu überprüfen, wenn das Bauteil entweder ein Provisorium darstellt oder die Sache erkennbar über den grundsätzlich vorgesehenen Umfang hinaus genutzt wird, ein eintretender Verschleiß oder entstehender Defekt also bei vernünftiger Betrachtung wahrscheinlich ist. vgl. OLG München, Endurteil vom 12.08.2020 - 20 U 6670/19 |
Rn. 9-1244 | Zitat (OLG München, Endurteil vom 12.08.2020 - 20 U 6670/19) ein-/ausblenden "Eine Eingangstür, die den Zugang zu einem Ladengeschäft wie hier der Änderungsschneiderei der Beklagten zu 1) darstellt, wird weitaus häufiger und zudem von einem erheblich größeren Personenkreis benutzt als eine Balkontür, die den Zutritt von Innenräumen auf Balkon oder Terrasse ermöglicht. Wie das Landgericht - den Ausführungen des Sachverständigen folgend - zu Recht ausgeführt hat, erfordert eine solche gesteigerte Nutzung einen erhöhten Kontrollaufwand. Die Kontrollpflicht ergibt sich schon daraus, dass ein solches Provisorium vorhanden ist und - anders als die Beklagte zu 1) meint - nicht erst dann, wenn bereits Auffälligkeiten oder Anhaltspunkte für ein Versagen des Provisoriums vorliegen." vgl. OLG München, Endurteil vom 12.08.2020 - 20 U 6670/19 (externer Link) | Rn. 9-1245 |
Auf das Durchführen oder Unterlassen von Kontrollen kann es aber ohnehin nur ankommen, wenn eine Kausalität zum Unfallgeschehen festgestellt werden kann. Daran fehlt es, wenn schon keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliegt. Indes fehlt eine solche Kausalität auch, wenn eine durchgeführte Kontrolle einen etwaigen Fehlzustand auch nicht hätte aufdecken können. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 |
Rn. 9-1246 | Zitat ( OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19) ein-/ausblenden "Dahinstehen kann für die Entscheidung dieses Falles, ob der Radweg durch Mitarbeiter der Beklagten regelmäßig und ausreichend auf seinen Zustand hin kontrolliert worden ist.Nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin aufgrund einer unzureichenden Instandhaltung des Radwegs, etwa aufgrund bestehender Unebenheiten, zu Fall gekommen ist. Dies wird von der Klägerin selbst auch nicht geltend gemacht.Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die streitgegenständliche Kurve wegen eingeschränkter Sichtmöglichkeiten in den Kurvenbereich hinein aufgrund von Bauzäunen oder Bewuchs eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dargestellt hat. Jedenfalls aber ist nicht mit Substanz vorgetragen, dass sich eine möglicherweise hierdurch ergebende Gefahr in dem konkreten Unfallgeschehen ausgewirkt hat.Soweit die Kurve selbst zum Unfallzeitpunkt aufgrund von Bauzäunen und Bewuchs schlecht einsehbar war, kann offen bleiben, ob der Klägerin hierdurch die Sicht auf etwaigen Begegnungsverkehr genommen worden ist oder sich die Situation für die Klägerin bei Annäherung an die Kurve so dargestellt hat, als würde der Weg unvermittelt enden." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 (externer Link) | Rn. 9-1247 |
Vorangehende Unfälle sind nicht per se geeignet, Pflichten des Verkehrssicherungspflichtigen zu verschärfen oder Abhilfemaßnahmen erforderlich zu machen. Zunächst müsste feststehen, ob es vorangegangene Unfälle gab, worauf diese beruhten und ob der Verkehrssicherungspflichtige von den Unfällen und den Unfallursachen auch Kenntnis hatte (oder hätte haben müssen). Da Unfälle sich stets ereignen können, kann aus einem Unfall an sich noch kein Rückschluss gezogen werden. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 |
Rn. 9-1248 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19) ein-/ausblenden "Auf das Vorliegen einer solchen Gefahrenstelle kann nicht schon deshalb geschlossen werden, weil sich im Bereich der Linkskurve nach dem Behaupten der Klägerin vor dem 08.09.2018 mehrere, jedenfalls aber drei Radunfälle ereignet haben. Zur Ursache der vorangegangenen Unfälle ist nichts bekannt und wird von der Klägerin auch nicht mit Substanz vorgetragen. Es besteht kein belastbarer Anhaltspunkt dafür, dass die Unfälle auf die bauliche Gestaltung des Radwegs zurückzuführen sind und nicht auf individuellen Fahrfehlern wie eine überhöhte Geschwindigkeit, Bremsfehler, falsches Anfahren der Kurve, reine Unachtsamkeit oder auf Kollisionen mit dem Begegnungsverkehr beruhen. Derartige individuelle Fahrfehler wirken sich im Bereich einer anspruchsvolleren Streckenführung ungleich stärker aus als an anderer Stelle, ohne dass deswegen dem Träger der Straßenbaulast schon allein deshalb eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht anzulasten ist." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 (externer Link) | Rn. 9-1249 |
Aber selbst dann, wenn es vorangegangene Unfälle gegeben hat, kann noch nicht geschlussfolgert werden, dass der Verkehrssicherungspflichtige Abhilfemaßnahmen hätte ergreifen müssen. Denn - wie bekannt - ereignen sich auch schicksalhafte Unfälle aufgrund Unaufmerksamkeit oder wegen des allgemeinen Lebensrisikos. Und auch die Verwirklichung des allgemeinen Lebensirisikos in der Vergangenheit ändert nichts daran, dass dasselbe Ereignis wieder eintritt und auch dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuschreiben ist. vgl. BGH im Urteil vom 06.03.2014, Az. III ZR 352/13 |
Rn. 9-1250 |
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