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Die Durchführung des Winterdienstes kann delegiert werden. Beispielsweise kommt die Beauftragung einer Winterdienstfirma in Betracht. Der dieser Delegation zugrunde liegende Vertrag dürfte eher kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sein. vgl. LG Köln, Urteil vom 20.02.2017 - 7 O 165/16 |
Rn. 9-1719 | Zitat (LG Köln, Urteil vom 20.02.2017 - 7 O 165/16) ein-/ausblenden "Es ist aber ohnehin nicht ersichtlich, dass dem zwischen der Stadt Köln und der Beklagten geschlossenen Vertrag eine Schutzwirkung zugunsten der Klägerin, als Benutzerin der von der Beklagten zu reinigenden Straßen zukommt. Damit die Haftung des Schuldners nicht unkalkulierbar ausgedehnt wird und die Grenzen zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung nicht in unzuträglicher Weise verwischt werden (BGH 09.10.2014 - III ZR 68/14), sind an die Einbeziehung des Dritten in den Vertrag hohe Anforderungen zu stellen (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 328 Rn. 16). Andernfalls würde das Institut der Schutzwirkung für Dritte zum Ersatz für eine deliktische Generalklausel (BGH 26.03.1974 - VI ZR 103/72). Insbesondere der Umstand, dass eine unbestimmte Zahl von Personen in den Vertrag einbezogen wäre, spricht hier gegen die Anwendung der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (OLG Köln 21.01.2015 - 16 U 99/14). Denn das Vertrags- und Haftungsrisiko muss bei Abschluss des Vertrages überschaubar und kalkulierbar sein (BGH 20.04.2004 - X ZR 250/02). Das ist vorliegend nicht der Fall, weil jeder Bürger, der die von der Beklagten zu reinigenden öffentlichen Straßen in Köln benutzt, mithin ein in seinem Umfang nicht überschaubarer Personenkreis, mit den der Beklagten übertragenen Aufgaben in Berührung kommt.
" vgl. LG Köln, Urteil vom 20.02.2017 - 7 O 165/16 (externer Link) | Rn. 9-1720 |
Delegiert der primär Verpflichtete die ihm obliegenden Vornahme- und Durchführungspflichten auf einen Dritten, verbleiben bei ihm weiterhin Kontroll- und Überwachungspflichten. vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.12.2017 - 3 U 186/16 |
Rn. 9-1721 | Zitat (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.12.2017 - 3 U 186/16) ein-/ausblenden "1. Mit der Übertragung der Räum- und Streupflicht auf ein Unternehmen verkürzt sich die Verkehrssicherungspflicht auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht.
2. Auf die Kausalität einer Verletzung dieser Pflicht kann - anders als bei der Verletzung der primären Räum- und Streupflicht - auch bei einem Sturz innerhalb der zeitlichen Grenzen der Räum- und Streupflicht nicht im Wege des Anscheinsbeweises geschlossen werden." vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.12.2017 - 3 U 186/16 (externer Link) | Rn. 9-1722 |
Eine Delegation entpflichtet deshalb nicht, wenn Missstände bestehen und bekannt sind oder bei ordentlicher Kontrolle bekannt sein müssten. vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.12.2018 - 2 Ws 7/18 |
Rn. 9-1723 | Zitat (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.12.2018 - 2 Ws 7/18) ein-/ausblenden "1.Rutscht ein Fahrgast auf einer vereisten Stelle an der Bahnsteigkante aus und fällt in das Gleisbett unmittelbar vor einen einfahrenden Zug vermag die mangelhafte Ausführung des Winterdienstes den Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen zu begründen, wobei sich die Garantenstellung aus der Verpflichtung zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht ergibt.
2. Zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Winterdienstes an Bahnsteigen sind Glättestellen im Sicherheitsbereich durch Kontrollen, Räumarbeiten sowie durch Verwendung geeigneten Streugutes zu vermeiden und das dabei anfallende Räumgut ist so zu lagern oder abzutransportieren, dass es weder den für die Fahrgäste zur Verfügung zu stellenden Verkehrsraum beeinträchtigt noch zu erneuter Glättebildung führt
3. Auch bei mehrstufiger Delegation der Winterdienstpflichten verbleibt es bei der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des originär Sicherungspflichtigen, wenn das beauftragte Unternehmen sich als ungeeignet herausstellt oder der Auftragsumfang nicht klar geregelt ist. Daneben trifft die jeweils beauftragende Ebene ein eigenes, strafrechtlich relevantes Verschulden, wenn sie ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Auswahl und Überwachung des Nachunternehmens nicht nachkommt." vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.12.2018 - 2 Ws 7/18 (externer Link) | Rn. 9-1724 |
Auch bei erfolgter Delegation verbleiben noch Pflichten bei dem ursprünglich Verantwortlichen. Diese wandeln sich aber von der Durchführungs- bzw. Organisationspflicht zur Kontrollpflicht / Überwachungspflicht. vgl. LG Bochum, Urteil vom 02.01.2012 - I-8 O 49/11 |
Rn. 9-1725 | Zitat (LG Bochum, Urteil vom 02.01.2012 - I-8 O 49/11) ein-/ausblenden "Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagten zu 1) und 2) die Räum- und Streupflicht wirksam auf die Mieter ihres Hauses übertragen haben. Beim Übertragenden verbleibt nämlich auch in diesem Fall eine Kontroll- und Überwachungspflicht (Palandt-Sprau § 823 Rn50; OLG Stuttgart 5 U 75/99, Urteil vom 21.02.2000). Diese besteht in allgemeiner fortlaufender Überwachung und darf nicht erst einsetzen, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Dritten auftauchen. Der Pflicht zur Überwachung ist dabei nicht schon durch die Bestellung eines Verwalters genüge getan (BGH NJW 1985, 484)." vgl. LG Bochum, Urteil vom 02.01.2012 - I-8 O 49/11 (externer Link) | Rn. 9-1726 |
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