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-> Mitverschulden / mitwirkende Tiergefahr
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Entsteht eine Schädigung durch ein Tier, ist beim haftungsbegründenden Sachverhalt zunächst die eigene Mitursächlichkeit nach § 254 BGB zu beachten.
Falls der Geschädigte ebenfalls Verantwortung für ein Tier hatte und dies in den Schadenfall involviert gewesen ist, kommt ferner noch eine daraus resultierende anspruchsmindernde Verantwortlichkeit entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 S. 1 BGB in Betracht. vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2016 - VI ZR 465/15 |
Rn. 9-1087 | Zitat (BGH, Urteil vom 31.05.2016 - VI ZR 465/15) ein-/ausblenden "a) Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 Satz 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB anrechnen lassen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1985 - VI ZR 1/84, VersR 1985, 665, 666 mwN; vom 27. Oktober 2015 - VI ZR 23/15, VersR 2016, 60 Rn. 26). Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist (vgl. Senatsurteile vom 6. Juli 1976 - VI ZR 177/75, VersR 1976, 1090, 1091, insoweit in BGHZ 67, 129 nicht abgedruckt; vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04, VersR 2006, 416 Rn. 7; vom 27. Januar 2015 - VI ZR 467/13, VersR 2015, 592 Rn. 12). Eine typische Tiergefahr äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten (vgl. grundlegend Senatsurteil vom 6. Juli 1976 - VI ZR 177/75, aaO sowie Urteile vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04, aaO; vom 25. März 2014 - VI ZR 372/13, VersR 2014, 640 Rn. 5; vom 27. Januar 2015 - VI ZR 467/13, aaO, jeweils mwN). An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist (Senatsurteil vom 25. März 2014 - VI ZR 372/13, aaO) oder wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt (Senatsurteil vom 20. Dezember 2005 - VI ZR 225/04, aaO mwN). Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1976 - VI ZR 177/75, aaO für den von läufigen Hündinnen ausgehenden Duft)." vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2016 - VI ZR 465/15 (externer Link) | Rn. 9-1088 |
Eine Minderung des Anspruchs der geschädigten Person über die ihr zuzurechnenden Tiergefahr eines eigenen Tieres kommt indes nur in Betracht, wenn der Schädiger nur aus Gefährdungshaftung haftet. Haftet der Schädiger darüber hinaus aus Verschulden (§ 823 BGB), ist eine mitwirkende Tiergefahr des Tieres des Geschädigten nach dem Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB nicht zu berücksichtigen. vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2016 - VI ZR 465/15 |
Rn. 9-1089 | Zitat (BGH, Urteil vom 31.05.2016 - VI ZR 465/15) ein-/ausblenden "2. Eine bei der Entstehung des Schadens mitwirkende Tiergefahr des Labrador-Mischlings dürfte allerdings dann nicht anspruchsmindernd berücksichtigt werden, wenn die Beklagte dem Kläger nicht nur gemäß § 833 Satz 1 BGB, sondern auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet wäre. Denn gegenüber der Verschuldenshaftung aus § 823 BGB käme der Tiergefahr des Hundes des Klägers dem Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB entsprechend keine Bedeutung zu (Senatsurteil vom 27. Oktober 2015 - VI ZR 23/15, aaO Rn. 26 mwN). Die Tatsache, dass es dem Golden Retriever der Beklagten gelungen ist, sich durch die Hecke zu zwängen, legt die Frage nahe, ob die Beklagte fahrlässig die Gesundheit des Klägers verletzt hat, indem sie den (Fußgänger-)Verkehr vor ihrem Grundstück nicht hinreichend vor den von ihrem Hund ausgehenden Gefahren geschützt hat.
" vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2016 - VI ZR 465/15 (externer Link) | Rn. 9-1090 |
Denn § 840 Abs. 3 BGB gilt nicht nur im Verhältnis zu geschädigten Dritten, sondern auch im Zweipersonenverhältnis zwischen Geschädigtem und einem aus Verschulden haftenden Schädiger. vgl. OLG Celle – Az.: 20 U 7/18 – Urteil vom 13.08.2018 |
Rn. 9-1091 | Zitat (OLG Celle – Az.: 20 U 7/18 – Urteil vom 13.08.2018) ein-/ausblenden "(1) Der von dem Pferd ausgehenden Tiergefahr, die zu dem Unfallgeschehen beigetragen hat, kommt gegenüber der Verschuldenshaftung der Beklagten zu 2 nach § 840 Abs. 3 BGB keine Bedeutung zu. Diese Vorschrift gilt nicht nur im Verhältnis zu einem geschädigten Dritten. Sie greift zu Lasten eines aus Verschulden haftenden Schädigers nach ihrem Sinngehalt auch dann ein, wenn es um den eigenen, von dem Tier mitverursachten Schaden des Tierhalters geht (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1994 – VI ZR 107/94, juris, Rn. 14; OLG Celle, Urteil vom 10. April 2018 – 14 U 147/17, juris, Rn. 19; Senatsurteile vom 14. März 2016 – 20 U 30/13, Seite 10; vom 28. April 2014 – 20 U 51/13, Seite 6 f.; OLG Hamm NJW-RR 1990, 794, 795; OLG Schleswig, Urteil vom 29. Juni 1989 – 16 U 201/88, juris, Rn. 26; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 840 Rn. 87). Eine Aufhebung des § 840 Abs. 3 BGB, wie sie von Reformvorschlägen empfohlen wurde (vgl. Mertens in: Münchener Kommentar zum BGB, Vor §§ 823-853 Rn. 70; Staudinger/Schäfer, a.a.O., § 840 Rn. 89), ist vom Gesetzgeber nicht vorgenommen worden. Sie kann nicht an seiner Stelle durch Nichtanwendung der Vorschrift durch den Senat erfolgen." vgl. OLG Celle – Az.: 20 U 7/18 – Urteil vom 13.08.2018 (externer Link) | Rn. 9-1092 |
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