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Auch Radwege sind von der öffentlichen Hand zu unterhalten, allerdings auch nur im Rahmen der Zumutbarkeit. Deshalb richten sich die Pflichten nach Art und Häufigkeit der Benutzung. Gefahren müssen indes insoweit beseitigt sein als dass Benutzer, die die erforderliche Sorgfalt aufbringen, sie nicht erkennen können. Falls eine Beseitigung nicht möglich ist, bedarf es jedenfalls anderweitiger Vorkehrungen, wie beispielsweise Warnungen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 |
Rn. 9-1530 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19) ein-/ausblenden "Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht, die sich aus der der Beklagten gem. §§ 9, 9a, 47, 3 Abs.4 Nr.3 StrWG NRW obliegenden Straßenbaulast für den in ihrem Stadtgebiet verlaufenden Suweg ergibt, bestimmt sich nach der Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrswegs und seiner Bedeutung. Sie lässt nicht abstrakt, sondern nur anhand der konkreten Umstände im Einzelfall bestimmen (BGH, Urt. v. 01.07.1993, Az.: III ZR 88/92). Die Beklagte hat den Radweg in einem für eine Vielzahl von Benutzern hinreichend sicheren Zustand zu erhalten und in geeigneter und objektiver zumutbarer Weise diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die zur Herbeiführung und Erhaltung eines für die Benutzer hinreichend sicheren Zustandes erforderlich sind. Hierbei ist jedoch keine absolute Gefahrlosigkeit herzustellen, weil dies mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen ist. Vielmehr muss sich der Benutzer grundsätzlich den gegebenen Verhältnissen anpassen und die Fahrbahn so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Demgegenüber ist es Sache des Verkehrssicherungspflichtigen, alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder rechtzeitig einzustellen vermag (vgl. BGHZ 108, 273; BGH VersR 1979, 1055; BGH NJW 1985, 1076; Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 823 Rn.221)." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 (externer Link) | Rn. 9-1531 |
Soweit die Wegführung und der Untergrund erkannt werden können bei gewissenhafter Teilnahme am Verkehr, bedarf es weder einer Beseitigung noch eines Warnhinweises. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 |
Rn. 9-1532 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19) ein-/ausblenden "Für die Beklagte bestand auch keine Verpflichtung vor der streitgegenständlichen Linkskurve durch ein Warnschild gesondert auf die Fahrbahnoberfläche und die Kurve hinzuweisen oder die Radwegbenutzer zum Absteigen anzuhalten. Soweit sich aus der Kombination von Fahrbahnoberfläche und dem Verlauf des Wegs an der hier streitigen Stelle eine Gefahrenquelle ergibt, war diese Stelle für den durchschnittlich aufmerksamen Benutzer des Radwegs weithin erkennbar und beherrschbar. " vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 (externer Link) | Rn. 9-1533 |
Ein Radweg muss nicht durchgängig asphaltiert sein oder aus sonstigem festen Baumaterial bestehen. Verdichteter Dolomitsand ist nicht ungeeignet. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 |
Rn. 9-1534 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19) ein-/ausblenden "Ein Rechtssatz, dass erheblich frequentierte Radwanderwege in jedem Fall durchgängig mit einem Asphaltbelag zu versehen oder andernfalls zu sperren sind, existiert nicht. Die mit solchen Maßnahmen verbundene Kosten- und Unterhaltungslast würde das den Straßenbaulastträgern Zumutbare übersteigen (vgl. OLG Celle, Urt. v. 23.03.2005, Az.: 9 U 199/04, Tz.8); vielmehr hat der Benutzer den Weg in dem Zustand hinzunehmen, in dem er ihn vorfindet (vgl. Geigel/Wellner, Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap.14 Rn.44). Die Verwendung von verdichtetem Dolomitsand ist zur Gestaltung von Radwegen in Nordrhein-Westfalen gerichtsbekannt üblich und weit verbreitet." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 (externer Link) | Rn. 9-1535 |
Das gilt auch für Kurven. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 |
Rn. 9-1536 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19) ein-/ausblenden "Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte gehalten war, die streitgegenständliche Linkskurve mit einem Asphaltbelag zu versehen. Eine solche Verpflichtung hätte nur dann bestanden, wenn von der streitgegenständlichen Kurve anders nicht abwendbare Gefahren für den durchschnittlich aufmerksamen Benutzer ausgegangen wären." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 (externer Link) | Rn. 9-1537 |
Kommen indes Besonderheiten hinzu, können erhöhte Anforderungen an den Verkehrssicherungspflichtigen zu stellen sein. Gegebenenfalls ist dann auch ein fester Unterboden wie Asphalt notwendig. Das scheint denkbar bei starken Kurven und/oder starkem Gefälle. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 |
Rn. 9-1538 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19) ein-/ausblenden "Eine Verpflichtung, den Radweg an der streitgegenständlichen Stelle mit einem Asphaltbelag auszustatten, bestünde allenfalls dann, wenn die Kurve selbst ein starkes Gefälle aufweisen oder unmittelbar in eine Gefällstrecke münden würde, um bei der Abfahrt, während des Bremsens oder beim langsamen Hinauffahren ein kaum kontrollierbares Wegrutschen des Rades zu verhindern." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2019 - 11 U 104/19 (externer Link) | Rn. 9-1539 |
Eine Kante von 10 cm neben dem Radweg stellt grundsätzlich keine Verkehrssicherungspflichtverletzung dar. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2020 - 11 U 54/20 |
Rn. 9-1540 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2020 - 11 U 54/20) ein-/ausblenden "Für den Fall, dass der Benutzer dennoch aufgrund einer Gefahrensituation den Radweg verlassen muss, erweist sich der vorhandene Höhenversatz als beherrschbar. Das Passieren einer Kante von bis zu 10 cm stellt für einen Radfahrer ein alltägliches Fahrmanöver dar, von dem zu erwarten ist, dass er es beherrscht. Insoweit trägt der vom Landgericht angestellte Vergleich mit dem Fall, das der Radweg seitlich durch eine Bordsteinkante begrenzt wird." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2020 - 11 U 54/20 (externer Link) | Rn. 9-1541 |
Auch eine gesonderte Markierung einer solchen Kante ist im Normalfall nicht notwendig. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2020 - 11 U 54/20 |
Rn. 9-1542 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2020 - 11 U 54/20) ein-/ausblenden "Schließlich hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht auch nicht deshalb verletzt, weil sie nicht auf den Höhenunterschied zwischen Fahrbahn und dem angrenzenden Gelände hingewiesen oder für eine Absturzsicherung gesorgt hat. Dass das angrenzende Gelände nicht zum Befahren mit dem Rad geeignet war, war - wie bereits ausgeführt - mit beiläufigem Blick für den durchschnittlichen Benutzer des Radwegs erkennbar, so dass dieser bei Waltenlassen der gebotenen Eigensorgfalt hinreichend vor den mit einem Verlassen des Radwegs verbundenen Gefahren gewarnt war (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.07.2007, 4 U 64/07, Tz.29). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Erkennbarkeit des Höhenunterschiedes auch nicht für den Fall herrschender Dunkelheit anders zu beurteilen ist. Für Radfahrer gilt das Sichtfahrgebot (OLG Hamm, Urt. v. 09.11.2001, Az.: 9 U 252/98, Tz.24, juris). Soweit für die Klägerin das an den Radweg angrenzende Gelände wegen der herrschenden Lichtverhältnisse nicht erkennbar war, durfte sie nicht darauf vertrauen, den Radweg gefahrlos verlassen zu können (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 05.05.1998, 9 U 7/98, Tz.17)." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2020 - 11 U 54/20 (externer Link) | Rn. 9-1543 |
Ein Auslaufbereich bzw. Sicherheitsbereich neben einem Radweg ist nicht erforderlich. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2020 - 11 U 54/20 |
Rn. 9-1544 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2020 - 11 U 54/20) ein-/ausblenden "Eine Verkehrssicherungspflicht, die es dem Straßenbaulastträger auferlegen würde, Radwege mit gefahrlosen Auslaufzonen zu versehen, würde für den Straßenbaulastträger die Grenze des Zumutbaren übersteigen, da er erhebliche finanzielle und personelle Mittel zur Anlage und Unterhaltung der Seitenstreifen aufwenden müsste (ebenso OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.07.2007, 4 U 64/07, Tz.22). Dem steht gegenüber, dass das Gefahrenpotential des unbefestigt gebliebenen Seitenbereichs aufgrund der auf Radwegen gefahrenen Geschwindigkeiten, die prinzipiell ein vorausschauendes Verhalten ermöglichen, überschaubar bleibt und sich im konkreten Fall schon aufgrund der Anlage des asphaltierten Radwegs mit einer Breite von 2,50 m bei Einhaltung der gebotenen Eigensorgfalt und Aufmerksamkeit kaum die Notwendigkeit ergeben wird, den Radweg zu verlassen. " vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.06.2020 - 11 U 54/20 (externer Link) | Rn. 9-1545 |
Wer in der Nähe eines Radweges arbeitet, hat sicherzustellen, dass keine Materialien auf den Radweg gelangen, die zu einem Sturz führen können. Denn Gegenstände auf dem Radweg - wie z.B. ein Erdkabel - stellen für den Radverkehr untypische Hindernisse dar (allerdings ist ein Mitverschulden des Radfahrers möglich). vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2021 - 7 U 89/20 |
Rn. 9-1546 | Zitat (OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2021 - 7 U 89/20) ein-/ausblenden "Hier war es der Zeuge C, der vor Ort die Baustelle verantwortlich geleitet hat. Er war es, der durch das eigentliche Bergen des Kabels unmittelbar die abhilfebedürftige Gefahrenstelle zum Entstehen gebracht hat, ohne allerdings pflichtgemäß entweder durch eigenes enges Überwachen der genauen Lage des gezogenen Kabels oder des herannahenden Radverkehrs oder unter Rückgriff auf seinen Kollegen D für eine Sicherstellung des seitlichen Kabelverlaufs oder für eine Warnung herannahenden Radverkehrs Sorge getragen zu haben. Ebenso unzureichend auf die erkennbare Gefahrenstelle reagiert hat der Zeuge D, der weder in den Kabelverlauf korrigierend eingegriffen noch die herannahende Klägerin gewarnt hat. Beiden Zeugen fällt damit zur Last, eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle geschaffen bzw. aufrechterhalten zu haben. Angesichts der abschüssigen und weitgehend gerade verlaufenden Strecke konnten und durften sie nicht - wie der streitgegenständliche Unfall belegt - schlicht darauf vertrauen, dass Radfahrer(innen) jeglichen vom dem losen und daher potentiell rollenden Kabel ausgehenden Gefahren selbst rechtzeitig begegnen konnten." vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2021 - 7 U 89/20 (externer Link) | Rn. 9-1547 |
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