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Während der Pause muss eine Pausenaufsicht organisiert sein. Die Einzelheiten richten sich nach Schulart, zu überwachenden Schülern, Größe und Übersichtlichkeit und der Zumutbarkeit. vgl. LG Wuppertal, Urteil vom 29.04.2021 - 9 S 22/21 |
Rn. 9-217 | Zitat (LG Wuppertal, Urteil vom 29.04.2021 - 9 S 22/21) ein-/ausblenden "Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter der Kinder, nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihrem jeweiligen Verhalten zugemutet werden kann. Entscheidend ist letztlich, was ein verständiger Aufsichtspflichtiger nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen muss, um Schädigungen Dritter durch das Kind zu verhindern (OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Januar 2010 - 1 U 185/08 -, Rn. 8, juris; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1620). Es ist pädagogisch nicht sinnvoll, jedes Kind auf Schritt und Tritt zu überwachen. Für die Frage einer Aufsichtspflichtverletzung kommt es deshalb darauf an, was der Schule je nach der Größe des Schulgeländes, der Zahl und des Alters der Schüler sowie weiterer Umstände an Aufsichtsmaßnahmen zumutbar war (Gesine Walz, Rechtsprechungsübersicht zu Fragen der Aufsicht und Haftung in der Schule, S. 6)." vgl. LG Wuppertal, Urteil vom 29.04.2021 - 9 S 22/21 (externer Link) | Rn. 9-218 |
Auch schon Grundschulklassen (ab 1. Klasse) dürfen grundsätzlich für wenige Minuten ohne Aufsichtsperson im Klassenraum bleiben. vgl. AG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.01.2021 - 29 C 1632/20 (21) |
Rn. 9-219 | Zitat (AG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.01.2021 - 29 C 1632/20 (21)) ein-/ausblenden "Bei Grundschulkindern auch schon der 1. und 2. Klasse ist es aus diesen Gründen nicht angezeigt, ohne konkreten Anlass eine Überwachung durch ständigen Sichtkontakt, wie sie etwa bei Kindergartenkindern noch erfolgen kann und muss, sicherzustellen (vgl. LG Bonn Urt. v. 5.9.2012 - 1 O 110/12, BeckRS 2012, 21616, beck-online).
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Es kann dahinstehen, ob Frau A die Schüler beim Klassenwechsel im alten Klassenraum, oder nach vollzogenen Klassenwechsel im neuen Klassenraum für einige Minuten unbeaufsichtigt ließ. Selbst eine - hier nicht plausibel dargelegte - mit diesem Verhalten verbundene Gleichgültigkeit würde für die Bejahung eines bedingten Vorsatzes bezüglich der bei dem Kläger eingetretenen Verletzungsfolgen nicht ausreichen (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2019, 1234). Frau A durfte darauf vertrauen, dass ein Verlassen des Klassenraumes auch für mehrere Minuten unter klarer Anweisung ohne Zwischenfälle möglich ist. Es sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, auf die sich eine billigende Inkaufnahme des Schadensereignisses bzw. der Folgen durch Frau A stützen ließen." vgl. AG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.01.2021 - 29 C 1632/20 (21) (externer Link) | Rn. 9-220 |
Es tritt keine Beweislastumkehr ein, wenn ein Lehrer erste Hilfe leistet grob fahrlässig fehlerhaft begeht. Denn die Beweislastumkehr passt nicht für den Fall der ersten Hilfe bei Lehrern, die im Gegensatz zu Ärzten nur aufgrund ihrer Stellung - wie jeder Bürger - zur ersten Hilfe verpflichtet ist. vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2018 - 1 U 7/17 |
Rn. 9-221 | Zitat (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2018 - 1 U 7/17) ein-/ausblenden "Selbst wenn die Lehrkraft über keine Ersthelferausbildung verfügt - zum Vorfallszeitpunkt war eine solche selbst für Sportlehrer noch nicht vorgeschrieben - oder nicht in der Lage ist, die zur Beherrschung einer aktuellen Notsituation erforderlichen Kenntnisse auch richtig anzuwenden, darf sie sich in einer Notsituation eines Schülers - wie jeder Bürger - der Hilfeleistung nicht entziehen. Unterlaufen ihr dann bei dieser Hilfeleistung Versäumnisse, die aus medizinischer Sicht schwerwiegend sein mögen, ist keine Beweislastumkehr geboten, die sich an den Fällen orientiert, in denen ein Arzt im Rahmen eines von ihm bewusst und gewollt übernommenen Behandlungsverhältnisses mit der Versorgung eines Patienten befasst ist und bei seiner freiwillig übernommenen Behandlungsaufgabe den medizinischen Standard zu gewährleisten hat (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Dezember 2007 - I-8 U 27/07 -, juris Rn. 27 ff, für den zufällig in einer Notsituation anwesenden Arzt)." vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.01.2018 - 1 U 7/17 (externer Link) | Rn. 9-222 |
Die Aufsichtspflicht beinhaltet, Gefahren für andere zu beseitigen und ggfls. auch in Nothilfe für andere auf die Aufsichtsbedürftigen einzuwirken und - bei bestehendem Züchtigungsverbot - ggfls. durch vis absoluta Fremdgefährdungen auszuschließen. vgl. AG Augsburg, Urteil vom 04.02.2010 - 15 C 259/09 |
Rn. 9-223 | Zitat (AG Augsburg, Urteil vom 04.02.2010 - 15 C 259/09) ein-/ausblenden "Gerechtfertigt war das Tun der Beklagten aber als Nothilfe (§ 227 BGB). Der Kläger bespritzte mit Absicht andere Kinder durch Springen in matschige Pfützen. Die Beklagte war im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht verpflichtet, den Kläger hiervon abzuhalten und das Eigentum der anderen Schüler zu schützen.
Ein weiterer Rechtfertigungsgrund ergibt sich aus der Aufsichtspflicht der Beklagten als Lehrkraft. Seitens der Eltern wird insoweit ein Teil der Personensorge für die Dauer des Schulaufenthalts auf die Schule und deren Lehrkräfte übertragen. Hieraus ergibt sich wiederum eine allgemeine Fürsorge- und Verkehrssicherungspflicht, welche die Lehrkräfte zu erfüllen haben. Diese umfasst Schäden vom Schüler selbst abzuwenden wie auch zu verhindern, dass der betroffene Schüler anderen Schülern Schäden zufügt (vgl. § 37 Volksschulordnung). Dieses Recht umfasst selbstverständlich kein Züchtigungsrecht. Gemäß § 1631 Abs. II BGB ist es für Eltern unzulässig, ihre Kinder körperlich zu bestrafen, ihnen seelische Verletzungen zuzufügen oder andere entwürdigende Maßnahmen. Dies gilt in gleicher Weise für Lehrkräfte. Die Fürsorge- und Aufsichtspflicht der Lehrkraft umfasst abgestellt auf den individuellen Reife- und Erziehungsstand, das Alter des Schülers, der Art der Tätigkeit oder des Unternehmens, der individuellen örtlichen Situation, der Zusammensetzung der Gruppe und der Zumutbarkeit ein Einschreiten durch Belehrungen, Mahnungen, Gebote und Verbote, Überwachung. Es umfasst auch das Recht und die Pflicht zu einem körperlichen Eingreifen, sollte er hierdurch sich selbst gefährden oder andere Kinder gefährden oder schädigen. Für das Gericht steht nach Durchführung der Verhandlung und Beweisaufnahme fest, dass der Kläger an jenem 17.02.2009 nach Schulschluss für Belehrungen und Ermahnungen nicht zugänglich war. Der Kläger war „außer Rand und Band“, er tobte herum, es bestand die Gefahr, dass er den Sicherheitsbereich verlässt, er beschmutzte andere Schüler. Die Beklagte als aufsichtführende Lehrkraft war aufgrund dieses Verhaltens verpflichtet, den Kläger zum Eigenschutz und zum Schutz der anderen Kinder körperlich festzuhalten. Sie war berechtigt, ihn am Oberarm zu packen und in das Bushäuschen zu ziehen. Diese Aktion der Beklagten war angemessen und verhältnismäßig. Dass hierdurch (ungewollte) geringfügige Verletzungen verursacht wurden hat der Kläger hinzunehmen." vgl. AG Augsburg, Urteil vom 04.02.2010 - 15 C 259/09 (externer Link) | Rn. 9-224 |
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