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Auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg müssen sich Zweiradfahrer an das Rechtsfahrgebot halten, während für Fußgänger kein derartiges Rechtsgehgebot existiert. Radfahrer müssen notfalls Schrittgeschwindigkkeit fahren bzw. jederzeit anhalten können, während Fußgänger nicht fortwährend mit Radfahrern rechnen müssen, die sich von hingen annähern. Fußgänger dürfen auch stehenbleiben und den Weg breitflächig nutzen. vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07.06.2019 - 7 U 92/18 |
Rn. 9-1907 | Zitat (OLG Hamm, Beschluss vom 07.06.2019 - 7 U 92/18) ein-/ausblenden "Für den Radfahrer gilt im Grundsatz auch auf gemeinsamen Geh- und Radwegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO), während Fußgänger den Weg auf der gesamten Breite benutzen und dort auch stehenbleiben dürfen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 09.10.2012, 22 U 10/11, NZV 2013, 388, bei juris Rn. 12; LG Hannover, Urteil vom 15.03.2006, 11 S 84/05, NZV 2006, 418, bei juris Rn. 5; Lafontaine in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, § 41 StVO Rn. 155). Sie brauchen, da dort Radfahrer keinen Vorrang haben, nicht fortwährend nach Radfahrern, die etwa von hinten herankommen könnten, Umschau zu halten, sondern dürfen darauf vertrauen, dass Radfahrer rechtzeitig durch Glockenzeichen auf sich aufmerksam machen, um dann aber eine Passage freizugeben (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 09.10.2012, a.a.O., Lafontaine in: jurisPK, a.a.O.). Radfahrer haben die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen und insbesondere bei unklaren Verkehrslagen gegebenenfalls Schrittgeschwindigkeit zu fahren, um ein sofortiges Anhalten zu ermöglichen; mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen muss der Radfahrer rechnen (vgl. OLG München, Urteil vom 04.10.2013, 10 U 2020/13, NJW-RR 2014, 602, bei juris Rn. 25; OLG Frankfurt, Urteil vom 09.10.2012, a.a.O.Lafontaine in: jurisPK, a.a.O.)." vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07.06.2019 - 7 U 92/18 (externer Link) | Rn. 9-1908 |
Die höheren Sorgfaltspflichten treffen auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg den Radfahrer. Er muss auch mit Schreckreaktionen der Fußgänger rechnen und insbesondere einerseits darauf eingestellt sein, dass Personen den Gehweg ohne Ankündigung betreten und andererseits darauf, auf ältere Personen und Kinder besondere Rücksicht nehmen. vgl. AG Erfurt, Urteil vom 19.08.2020 - 5 C 1402/19 |
Rn. 9-1909 | Zitat (AG Erfurt, Urteil vom 19.08.2020 - 5 C 1402/19) ein-/ausblenden "Grundsätzlich gilt nach wohl allgemeiner Auffassung, dass den Radfahrer bereits bei einem gemeinsamen Fuß- und Radweg (Zeichen 240 Anlg. 2 zu § 41 StVO) höhere Sorgfaltspflichten als den Fußgänger treffen. Dabei müssen Radfahrer jede Gefährdung vermeiden. Fußgänger dürfen den gemeinsamen Fuß- und Radweg auf der ganzen Breite benutzen und müssen insbesondere nicht fortwährend nach Radfahrern, die etwa von hinten herankommen könnten, Umschau halten. Radfahrer haben dementsprechend die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen und insbesondere bei unklaren Verkehrslagen ggf. Schrittgeschwindigkeit fahren, um ein sofortiges Anhalten zu ermöglichen. Auf betagte oder unachtsame Fußgänger muss ein Radfahrer besondere Rücksicht nehmen; mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen muss er rechnen. Für die Geschwindigkeit von Radfahrern gilt zusätzlich § 3 Abs. 1 S. 4 StVO. Ein Radfahrer muss innerhalb der übersehbaren Strecke halten können. Er muss auch damit rechnen, dass aus Eingängen oder Ausfahrten Personen oder Fahrzeuge auf den Gehweg gelangen können (vgl. OLG Frankfurt NZV 2013, S. 388 m.w.N. - Hervorhebung durch das erkennende Gericht - sowie die bereits in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Entscheidungen).
Die Verpflichtung von Radfahrern zur gesteigerten Rücksichtnahme kommt auch darin zum Ausdruck, dass kombinierte Fuß- und Radwege, die eine Benutzungspflicht für Radfahrer zur Folge haben, nur dann angelegt werden sollen, wenn dies nach den Belangen der Fußgänger, insbesondere älterer Verkehrsteilnehmer und Kinder, im Hinblick auf die Verkehrssicherheit vertretbar erscheint (vgl. die Verwaltungsvorschrift zu § 41 StVO, Anlg. 2, Zeichen 240 und 241)." vgl. AG Erfurt, Urteil vom 19.08.2020 - 5 C 1402/19 (externer Link) | Rn. 9-1910 |
Die für den gemeinsamen Geh- und Radweg entwickelten Grundsätze gelten erst Recht für die Gehwege, die zur Mitbenutzung für Radfahrer freigegeben sind, ohne dass Radfahrer verpflichtet sind, diese Wege zu nutzen. vgl. AG Erfurt, Urteil vom 19.08.2020 - 5 C 1402/19 |
Rn. 9-1911 | Zitat (AG Erfurt, Urteil vom 19.08.2020 - 5 C 1402/19) ein-/ausblenden "Grundsätzlich gilt nach wohl allgemeiner Auffassung, dass den Radfahrer bereits bei einem gemeinsamen Fuß- und Radweg (Zeichen 240 Anlg. 2 zu § 41 StVO) höhere Sorgfaltspflichten als den Fußgänger treffen. Dabei müssen Radfahrer jede Gefährdung vermeiden. Fußgänger dürfen den gemeinsamen Fuß- und Radweg auf der ganzen Breite benutzen und müssen insbesondere nicht fortwährend nach Radfahrern, die etwa von hinten herankommen könnten, Umschau halten. Radfahrer haben dementsprechend die Belange der Fußgänger auf solchen Wegen besonders zu berücksichtigen und insbesondere bei unklaren Verkehrslagen ggf. Schrittgeschwindigkeit fahren, um ein sofortiges Anhalten zu ermöglichen. Auf betagte oder unachtsame Fußgänger muss ein Radfahrer besondere Rücksicht nehmen; mit Unaufmerksamkeiten oder Schreckreaktionen muss er rechnen. Für die Geschwindigkeit von Radfahrern gilt zusätzlich § 3 Abs. 1 S. 4 StVO. Ein Radfahrer muss innerhalb der übersehbaren Strecke halten können. Er muss auch damit rechnen, dass aus Eingängen oder Ausfahrten Personen oder Fahrzeuge auf den Gehweg gelangen können (vgl. OLG Frankfurt NZV 2013, S. 388 m.w.N. - Hervorhebung durch das erkennende Gericht - sowie die bereits in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Entscheidungen).
Die Verpflichtung von Radfahrern zur gesteigerten Rücksichtnahme kommt auch darin zum Ausdruck, dass kombinierte Fuß- und Radwege, die eine Benutzungspflicht für Radfahrer zur Folge haben, nur dann angelegt werden sollen, wenn dies nach den Belangen der Fußgänger, insbesondere älterer Verkehrsteilnehmer und Kinder, im Hinblick auf die Verkehrssicherheit vertretbar erscheint (vgl. die Verwaltungsvorschrift zu § 41 StVO, Anlg. 2, Zeichen 240 und 241).
Diese Maßstäbe gelten erst recht auf - wie im hier zu beurteilenden Fall - reinen Gehwegen, die lediglich durch ein Zusatzschild für Radfahrer freigegeben sind (Zeichen 239, Anlg. 2 zu § 41 StVO). Das Zusatzschild "Radfahrer frei" eröffnet dem Radverkehr nur ein Benutzungsrecht auf dem Gehweg. Den Belangen der Fußgänger kommt in diesem Fall ein besonders erhöhtes Gewicht zu; insbesondere darf der Radverkehr nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren (vgl. OLG Oldenburg NZV 2004, S. 360 sowie OLG Celle Az.14 U 141/19; Hinweisbeschluss vom 19.08.2019, jeweils m.w.N. aus Rechtspr. und Lit.)." vgl. AG Erfurt, Urteil vom 19.08.2020 - 5 C 1402/19 (externer Link) | Rn. 9-1912 |
Wer auf einem Gehweg, der an Zugänge und Zuwegungen grenzt, mit einem Zweirad fährt, darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren, zumindest wenn er nah an diesen gefahrträchtigen Bereichen entlangfährt. vgl. AG Erfurt, Urteil vom 19.08.2020 - 5 C 1402/19 |
Rn. 9-1913 | Zitat (AG Erfurt, Urteil vom 19.08.2020 - 5 C 1402/19) ein-/ausblenden "Ausweislich der zur Akte gereichten Fotos ist darüber hinaus erkennbar, dass im dortigen Verlauf des Gehwegs ständig Grundstückseinfahrten bzw. -zugänge einmünden.Angesichts all dessen war die vom Beklagten gefahrene Geschwindigkeit mit 12 bis 14 km/h entgegen § 3 Abs. 1 StVO deutlich überhöht. Der Beklagte hätte i. S. aller eingangs zitierten Entscheidungen vielmehr damit rechnen müssen, dass jederzeit Fußgänger aus einer der Grundstückszuwegungen auf den Gehsteig hätten treten können. Er hätte angesichts dessen keinesfalls mehr als Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen (hierzu legt auch das Gericht eine Geschwindigkeit von max. 5 bis 7 km/h zugrunde). Diese hat er bereits nach eigener Einlassung um das Doppelte überschritten. Darüber hinaus ist der Beklagte nach eigener Mitteilung mit dieser überhöhten Geschwindigkeit deutlich zu nah an den Grundstückseinfriedungen vorbeigefahren." vgl. AG Erfurt, Urteil vom 19.08.2020 - 5 C 1402/19 (externer Link) | Rn. 9-1914 |
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