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Tiergefahr


 Rn.  9-1131


Bei einer Beißerei verwirklicht sich die Tiergefahr der beteiligten Hunde.
vgl. OLG München, Endurteil vom 12.12.2018 - 20 U 1474/18


 Rn.  9-1132


Zitat (OLG München, Endurteil vom 12.12.2018 - 20 U 1474/18) ein-/ausblenden      

"Entgegen der Ansicht des Landgerichts haftet der Beklagte als Tierhalter gemäß § 833 BGB unabhängig davon, ob die Klägerin durch einen Biss ihres oder des Hundes des Beklagten verletzt worden ist (ebenso OLG Frankfurt, 15 U 298/90, juris). (…) Eine solche Tiergefahr hat sich hier verwirklicht, denn unstreitig fand zwischen den Hunden der Parteien zum fraglichen Zeitpunkt eine Rangelei statt. Diese stellt eine Interaktion zwischen den Tieren dar, die ihrer tierischen Natur entsprechend aufeinander eingewirkt haben, bis es zur Schädigung der Klägerin kam. Damit hat sich in der Bissverletzung die von beiden Hunden ausgehende Tiergefahr adäquat mitursächlich verwirklicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 31. Mai 2016, VI ZR 465/15, juris Rn. 12)."
vgl. OLG München, Endurteil vom 12.12.2018 - 20 U 1474/18 (externer Link)


 Rn.  9-1133

Bei der Frage, ob sich die Tiergefahr eines Hundes realisiert hat, kommt es auch nicht darauf an, welches Tier mit der Hunderangelei bzw. Beißerei angefangen hat.
vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2016 - VI ZR 465/15


 Rn.  9-1134


Zitat (BGH, Urteil vom 31.05.2016 - VI ZR 465/15) ein-/ausblenden      

"Für die Begründung der Mithaftung des Klägers als solcher ist nicht von Bedeutung, was Auslöser des Gerangels war und welcher der beiden Hunde in dem Geschehen eine über- oder untergeordnete Rolle einnahm. Diese Umstände können allerdings bei der Bildung der Haftungsquoten von Bedeutung sein (vgl. OLG Hamm, VersR 1996, 115, 116; OLG Frankfurt, NJW-RR 2007, 748, 749; OLG Koblenz, BeckRS 2014, 00768)."
vgl. BGH, Urteil vom 31.05.2016 - VI ZR 465/15 (externer Link)


 Rn.  9-1135

Zitat (OLG München, Endurteil vom 12.12.2018 - 20 U 1474/18) ein-/ausblenden      

"Irrelevant ist hier auch, welcher Hund mit der Rauferei begonnen hat (BGH, Urteil vom 31. Mai 2016, VI ZR 465/15, juris Rn. 12; OLG Frankfurt, 15 U 298/90, juris); bereits die von einem Tier ausgehenden und auf ein anderes Tier einwirkenden Reize können eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen (BGH, Urteil vom 31. Mai 2016, VI ZR 465/15, juris Rn. 9)."
vgl. OLG München, Endurteil vom 12.12.2018 - 20 U 1474/18 (externer Link)


 Rn.  9-1136

Zitat (LG Stade, Urteil vom 06.04.2004 - 4 O 90/03) ein-/ausblenden      

"Darüber hinaus muss sich der Kläger auch die Tiergefahr seines eigenen Hundes nach § 254 BGB zurechnen lassen und zwar unabhängig davon, ob sein Hund oder der Hund der Beklagten mit der Rauferei begonnen hat (vgl. dazu auch OLG Frankfurt a.a.O.)."
vgl. LG Stade, Urteil vom 06.04.2004 - 4 O 90/03 (externer Link)


 Rn.  9-1137

Da eine Mit- oder mittelbare Verursachung eines Schadens durch die Tiergefahr ausreicht, kann ein haftungsbegründender Sachverhalt auch erst nach einem scheinbar abgeschlossenen Komplex entstehen. Beispielsweise liegt ein solcher vor, wenn nach dem Angriff durch einen Hund der angegriffene seinen Tierhalter bei der Nachsorge verletzt.
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.2014 - 1 U 115/13


 Rn.  9-1138


Zitat (OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.2014 - 1 U 115/13) ein-/ausblenden      

"Es ist zwischen den Parteien nicht streitig und wurde vom Kläger nochmals vor dem Senat bestätigt, dass er nicht von T. ins Gesicht gebissen wurde, sondern vom Hund seiner Ehefrau, der Beagle-Hündin C. . Vorausgegangen war dem allerdings eine Auseinandersetzung der beiden Hündinnen, die für C. mit Schäden verlief, weil die körperlich überlegene T. den Beagle in Kopf und Nacken biss und insgesamt körperlich erheblich in Mitleidenschaft zog. Das Landgericht hat insoweit zutreffend hervorgehoben, dass für die Tierhalterhaftung eine Mit- oder mittelbare Verursachung des Körper-, Gesundheits- oder Sachschadens ausreichen (BGH NJW 1999,3119, 3120; NJW-RR 2006, 813,814; Palandt/Grüneberg, vor § 249 Rdn. 52)."
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.2014 - 1 U 115/13 (externer Link)


 Rn.  9-1139

Haftungsverteilung


 Rn.  9-1140


Personenschaden bei Eingriff in Auseinandersetzung


 Rn.  9-1141


Greift jemand in eine Hundebeißerei ein und wird dabei geschädigt, kann ihn eine Haftungsreduktion von 75% aus eigenem Verschulden und mitwirkender Tiergefahr des eigenen Tieres treffen, wenn er einerseits unvorsichtiger war als die anderen Personen und weiter, wenn der eigene Hund der Aggressor war und sich dessen gesteigerte Tiergefahr gerade dadurch realisierte, dass der Geschädigte durch den eigenen Hund gebissen wurde.
vgl. OLG München, Endurteil vom 12.12.2018 - 20 U 1474/18


 Rn.  9-1142


Zitat (OLG München, Endurteil vom 12.12.2018 - 20 U 1474/18) ein-/ausblenden      

"Der Senat bewertet das Mitverschulden der Klägerin unter Abwägung der vorstehend geschilderten Gesamtumstände, insbesondere auch des Umstands, dass der Hund der Klägerin von den Zeugen als Aggressor beschrieben wurde, sich sein Gefahrenpotential nach der nicht zu beanstandenden Überzeugung des Landgerichts in der Schädigung manifestiert hat und die Klägerin sich - wenn auch geringfügig - möglicherweise unvorsichtiger als der Beklagte verhalten hat, mit 75%."
vgl. OLG München, Endurteil vom 12.12.2018 - 20 U 1474/18 (externer Link)


 Rn.  9-1143

Es kommt sogar ein haftungsvernichtendes Eigenverschulden in Betracht, wenn man in eine Hundebeißerei eingreift. Hier kann man derart leichtfertig handeln, dass die Rechtsordnung keinen Schadensersatzanspruch zubilligt. Das LG Stade sah dies in einem Fall an, in dem allerdings nicht geklärt wurde, welcher Hund den Geschädigten biss. Mit Blick auf die Entscheidung des OLG München (20 U 1474/18), bei dem feststand, dass der Geschädigte durch den eigenen Hund gebissen wurde und gleichwohl nur ein Abzug von 75% erfolgte, dürfte die Ungewissheit, welcher Hund den konkreten Schaden verursacht hat, indes nicht zu einem höheren - vollständigen - Ausschluss führen. Es muss daher auf andere - die eigene Leichtfertigkeit begründende - Umstände angekommen sein, dass das LG Stade hier zu einem vollständigen Haftungsausschluss gelangt ist.
vgl. LG Stade, Urteil vom 06.04.2004 - 4 O 90/03


 Rn.  9-1144


Zitat (LG Stade, Urteil vom 06.04.2004 - 4 O 90/03) ein-/ausblenden      

"Gleichwohl kann der Kläger seinen Schaden nicht ersetzt verlangen, weil die Tierhalterhaftung der Beklagten hinter dem weit überwiegenden Eigenverschulden des Klägers vollständig zurücktritt.

Es war in hohem Maße leichtfertig, dass der Kläger seine ungeschützte Hand in den Kampfbereich der beiden Hunde gebracht hat. Er hat dadurch, dass er auf die kämpfenden Hunde mit lauter Stimme zulief und in einem Moment, in dem der Hund der Beklagten kurzfristig zurückwich, nach dem eigenen Hund griff, die nach wie vor stark gefahrgeneigte Situation, die lediglich durch instinktives tierisches Verhalten bestimmt war, verdichtet und wieder zugespitzt. Der Kläger hat diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen, die ihm ordentlicherweise oblag, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Er hat sich selbst in Gefahr begeben und somit auf eigenes Risiko gehandelt (vgl. OLG Celle, Urteil vom 1. November 2000, Az. 20 U 11/00, Fundstelle juris; OLG Koblenz, VersR 1986, 247; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 8. August 1996, Fundstelle u.a. ZfSch 1997, 171: jeweils zu ähnlich gelagerten Fällen). Jeder vernünftige Hundehalter würde wegen der Risiken für die eigene Gesundheit davon absehen, in einer derartigen Situation mit der bloßen Hand in den Kampfbereich der Hunde einzugreifen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst vorträgt, dass der Hund der Beklagten bereits mehrfach auffällig geworden sei und als bisswütig bekannt sei.

Der Kläger kann nach Auffassung des Gerichts auch nicht damit gehört werden, dass er lediglich zum Schutz seines Hundes eingegriffen hat. Die Ausführungen des Landgerichts Flensburg in dem Urteil vom 1. Februar 1996 (Az. 1 S 119/95; Fundstelle u.a. VersR 1997, 457 f.) überzeugen das Gericht nicht. Im Übrigen war die Selbstgefährdung war nach Auffassung des Gerichts auch vermeidbar, da dem Kläger durchaus andere Mittel zur Rettung seines Hundes zur Verfügung standen, als die Hunde mit bloßen Händen zu trennen. Die Beißerei hat auf seiner Hofeinfahrt stattgefunden. Es hätte daher nahe gelegen, die Hunde beispielsweise mit einem Eimer Wasser oder anderem Gerät zu trennen. Zu dem Zeitpunkt als der Kläger eingegriffen hat, hatten sich die Hunde nach seinem eigenen Vorbringen auch bereits kurzfristig getrennt. Der Kläger hätte sich mithin auch langsam in Richtung Haus begeben und den eigenen Hund zu sich zu rufen können oder aber den Hund der Beklagten durch weitere verbale Einwirkungen weiter verscheuchen können.

Darüber hinaus muss sich der Kläger auch die Tiergefahr seines eigenen Hundes nach § 254 BGB zurechnen lassen und zwar unabhängig davon, ob sein Hund oder der Hund der Beklagten mit der Rauferei begonnen hat (vgl. dazu auch OLG Frankfurt a.a.O.).

Im Rahmen der Abwägung ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststeht, dass der Hund der Beklagten die Bissverletzung verursacht hat. Die Zeugin M. hat im Rahmen ihrer Vernehmung in der öffentlichen Sitzung des Gerichts am 22. März 2004 bekundet, dass sie gesehen habe, dass sich die Hunde ineinander verbissen hätten. Es sei ein „Hundeknäuel“ gewesen. Wer wen gebissen habe, könne sie aber nicht sagen. Sie habe auch nicht gesehen, dass der Hund der Beklagten den Kläger gebissen habe. Hierzu könne sie keine Angaben machen.

Auch die Zeugin H. hat bekundet, dass sie nur wisse, dass der Hund der Beklagten beteiligt gewesen sei. Welcher der Hunde den Kläger gebissen habe, dass wisse sie nicht. Es sei lediglich ein „Hundekauderwelsch“ zu erkennen gewesen.

Dieses Beweisergebnis geht zu Lasten des Klägers. Da nicht aufklärbar ist, welcher der Hunde zugebissen hat, kann auf Seiten der Beklagten im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung lediglich die Beteiligung ihres Hundes an der Beißerei berücksichtigt werden. Hingegen muss der Kläger sich die Tiergefahr seines eigenen Hundes ebenso wie sein eigenes Mitverschulden nach § 254 BGB zurechnen lassen. Er hat auf eigenes Risiko gehandelt, als er sich derart in Gefahr begeben hat und seine ungeschützte Hand den Bissen der kämpfenden Hunde ausgesetzt hat. Seinen Schaden hat der Kläger nach alledem allein zu tragen."

vgl. LG Stade, Urteil vom 06.04.2004 - 4 O 90/03 (externer Link)


 Rn.  9-1145

Neben dem LG Stade hat auch das LG Köln (bestätigt durch das OLG Köln (OLG Köln, Beschluss vom 10.11.2008 - 3 U 37/08) wegen eines haftungsvernichtenden Eigenverschuldens die Klage eines Geschädigten abgewiesen, welcher derart in eine Hunderangelei eingriff, dass er an der Hand geschädigt wurde (verdrehter Finger). Der Geschädigte hatte wohl das Halsband ungünstig gegriffen. Das LG Köln sah das Eigenverschulden des Geschädigten als leichtfertig an, weil es sich um eine Rangelei zwischen gleichstarken Hunden handelte und eine ernsthafte Gefahr für das eigene Tier nicht zu erkennen war.
vgl. LG Köln, Urteil vom 24.01.2008 - 37 O 610/07


 Rn.  9-1146


Zitat (LG Köln, Urteil vom 24.01.2008 - 37 O 610/07) ein-/ausblenden      

"Das Gericht erachtet es als leichtfertig, in den Kampfbereich zweier Hunde einzugreifen, so dass die Haftung der Beklagten entällt. Der Kläger hat sich durch sein eigenes Verhalten in den Gefahrenbereich begeben und damit die eigene Verletzung billigend in Kauf genommen. Hätte er den Hund der Beklagten nicht festgehalten, wäre es nicht zu der Verletzung gekommen. Das Mitverschulden ist im vorliegenden Falle als so erheblich einzuschätzen, weil der Kläger keinen tragfähigen Grund auf seiner Seite hat, der das Eingreifen rechtfertigen könnte. Selbst wenn man -entgegen der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts- auf die Belange des Eigentümers abstellt, der seinen Hund vor erheblichen Verletzungen durch einen anderen Hund schützen will, und letzteres als anerkennenswerten Grund für das Eingreifen im Rahmen der Abwägung gemäß § 254 BGB ansähe (so LG Flensburg, NJWE-VHR 1997, 192; a.A. LG Stade a.a.O.), dann lägen die entsprechenden Voraussetzungen nicht vor. Soweit in der Rechtsprechung auf den vorgenannten Aspekt abgestellt wurde, lag eine Situation vor, in der ein ungleicher Kampf zwischen dem schwächeren Tier des späteren verletzten Eigentümers und einem stärkeren Tier stattgefunden hat und andere Möglichkeiten zur Trennung der Hunde nicht zur Verfügung standen (LG Flensburg a.a.O.). Eine solche Situation, die nur durch ein Eingreifen des späteren Vereletzten zu beenden war, lag nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nicht vor. "
vgl. LG Köln, Urteil vom 24.01.2008 - 37 O 610/07 (externer Link)


 Rn.  9-1147

Das OLG Köln bestätigte die Entscheidung des LG Köln (37 O 610/07).
vgl. OLG Köln, Beschluss vom 10.11.2008 - 3 U 37/08


 Rn.  9-1148


Zitat (OLG Köln, Beschluss vom 10.11.2008 - 3 U 37/08) ein-/ausblenden      

"Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ebenfalls nicht erforderlich ( § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO)."
vgl. OLG Köln, Beschluss vom 10.11.2008 - 3 U 37/08 (externer Link)


 Rn.  9-1149

Nach einer Auseinandersetzung


 Rn.  9-1150


Im Anschluss an eine Hundebeißerei muss sich ein Tierhalter ggfls. ein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten lassen, wenn er sich unbedacht seinem Hund nähert. Denn nach einer Auseinandersetzung / Beißerei kann es noch Minuten dauern, bis das eigene Tier den Halter wiedererkennt. Wird der Halter dann gebissen, kann dies als Sorgfaltswidrigkeit in eigenen Angelegenheiten ein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB begründen. Denn es soll demnach ein fahrlässiges Handeln darstellen. Richtig sei es demnach, dem Tier Ruhe zu geben, ggfls. auch durch Abdecken und Abschotten von äußeren Reizen. Entsprechend nachstehender Entscheidung des OLG Celle wird diese Bewertung diesseits nicht geteilt.
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.2014 - 1 U 115/13


 Rn.  9-1151


Zitat (OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.2014 - 1 U 115/13) ein-/ausblenden      

"Nach den Feststellungen des Sachverständigen B. hätte sich der Kläger dem angegriffenen und verletzten Hund nur sehr aufmerksam und jederzeit mit einem Biss rechnend nähern dürfen. Am besten hätte der Kläger das Tier zugedeckt und abgewartet. Es dauere mehrere Minuten, bis Hunde nach einer derartigen Auseinandersetzung ihren Halter wiedererkennen würden. Der Kläger habe sich durch sein unvorsichtiges Handeln der Gefahr ausgesetzt, für den Angreifer gehalten zu werden. Nach Auffassung des Senats hätte der Kläger diese Gefahr erkennen und den Schaden vermeiden können, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung letztlich auch einräumte."
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 23.04.2014 - 1 U 115/13 (externer Link)


 Rn.  9-1152

Das OLG Celle verortet indes die Verletzung durch das eigene Tier im Anschluss an eine Stresssituation (dort: Überfahren des Tieres durch einen PKW) in die zurechenbare Tiergefahr entsprechend §§ 254 Abs. 1, 833 BGB. Das erscheint richtig, weil der BGH auch im Rahmen des Mitverschuldens eines Radfahrers und des Nichttragnens eines Helms auf das allgemeine Verkehrsbewusstsein abgestellt hat (BGH, Urteil vom 17.06.2014, Az. VI ZR 281/13). Nun dürfte es so sein, dass es kein allgemeines Verkehrsbewusstsein der Hundehalter gibt, dass man sich dem Hund nach einer Stresssituation zunächst nicht nähern soll; vielmehr wird die Fürsorge zum unbedachten Suchen von Nähe zum Tier verleiten.
vgl. OLG Celle, Urteil vom 05.10.2022 - 14 U 19/22


 Rn.  9-1153


Zitat (OLG Celle, Urteil vom 05.10.2022 - 14 U 19/22) ein-/ausblenden      

"b) Die Klägerin unterfällt ebenfalls einer Gefährdungshaftung für die von dem Hund ausgehende Tiergefahr gemäß § 833 S. 1 BGB. Durch das Überfahren des Hundes und das daraufhin erfolgte Beißen des Zeugen B. hat sich eine typische Tiergefahr realisiert (vgl. Senat, Teilurteil vom 20. Januar 2016 – 14 U 128/13, Rn. 59 - 61, juris, zur Tiergefahr eines Pferdes). Das Tier, das durch das Überfahren durch das Beklagtenfahrzeug in eine konkrete Lebensgefahr gebracht wurde, begegnete dieser Situation mit einem instinkthaften Beißreflex. Das ist Ausdruck tierischer Unberechenbarkeit, die den Grund der Gefährdungshaftung des Halters bildet (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. April 2014 – 1 U 115/13, Rn. 13, juris)."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 05.10.2022 - 14 U 19/22 (externer Link)


 Rn.  9-1154